Genre: vom Setting her Science Fiction, aber insgesamt eher Romantik
Verlag: Silberfisch
ISBN: 9783867420273
Dauer: ca. 10 Stunden (gekürzte Lesung)
gelesen von: Ulrike Grote
meine Bewertung: 2 von 5 Sternchen
In einer fernen Zukunft hat eine fremde Spezies die Herrschaft über die Erde übernommen. Die „Seelen“ leben sozusagen als Parasiten in den Menschen und übernehmen ihr gesamtes Handeln und Denken. Doch Melanie, deren Körper die Seele Wanda besetzt hat, klammert sich hartnäckig an ihr Bewusstsein und ist nicht bereit, Wanda die alleinige Herrschaft über ihren Körper zu überlassen. Das führt schließlich so weit, dass Melanie sie dazu bringt, sich auf die Suche nach den beiden Menschen zu machen, die ihr am wichtigsten sind: ihr Bruder Jamie und ihre große Liebe Jared.
Was für eine geniale Idee! Was für eine tolle Ausgangssituation! Und was für ein lahmes Geschwafel, das dabei heraus gekommen ist …
Ja, leider hat mich „Seelen“ sehr enttäuscht. Der Roman begann so vielversprechend: Wandas Erschrecken, als sie feststellt, dass ihr Wirt aktiv gegen sie ankämpft; der Konflikt zwischen ihr und Melanie; die angedeuteten Kämpfe zwischen Seelen und verbliebenen Menschen.
Das alles klang spannend, originell und auch sehr kritisch. Leider hat Stephenie Meyer das Potenzial dieser Geschichte nicht einmal annähernd ausgeschöpft.
Von dem Zeitpunkt an, als Wanda bei den Rebellen eintrifft, stagniert die Handlung völlig. Alles scheint sich nur noch darum zu drehen, wer Wanda mag und wer nicht, wer sie töten will und wer sie heldenhaft beschützt, wer sie liebt und wen sie liebt …
Nichts gegen zwischenmenschliche Beziehungen, und angesichts der Situation Wanda/Melanie in einem Körper hätte der Roman auch mit einer ruhigen Handlung sehr fesselnd werden können. Aber trotz der stark gekürzten Hörbuchfassung tritt der Roman auf der Stelle und ergeht sich in endlosen (und sich wiederholenden) Schilderungen von Wandas Gefühlsleben.
Auch das hätte noch interessant sein können, wäre Wanda interessant. Aber so ein dermaßen schwacher, jammernder, ängstlicher und dabei so aufopfernder Charakter ist mir noch nie untergekommen. Gut, Wanda ist kein Mensch. Und Gewalt ist Seelen fremd. Aber leider kommt dabei eine so nervtötend „gute“ Figur heraus, dass ich Wanda einige Male gern gepackt und geschüttelt hätte. Sie ist ja so friedlich, so selbstlos, so hilfsbereit, so freundlich, so gutherzig, so so so …
Ehrlich, so eine Ich-Perspektive hält man doch nicht aus! Wanda hat einfach keine Ecken und Kanten, ihre einzige Schwäche ist im Grunde, dass sie – ja – schwach ist und ständig beschützt werden muss.
Ach, ich könnte mich noch eine ganze Weile über sie aufregen, aber ich denke, ich habe meinen Standpunkt ohnehin schon klar gemacht.
Und so konturenlos wie Wanda ist letztendlich der ganze Roman. Es gibt einige Ansätze, die zu einer spannenden Handlung führen könnten – aber immer, wenn man denkt, dass jetzt tatsächlich mal etwas schiefgeht und sich die Lage ordentlich zuspitzt, löst sich doch alles wieder in Wohlgefallen auf. Und auch die Gruppe der Rebellen bietet nach anfänglichen Konflikte nur noch Friede-Freude-Eierkuchen. Die Möglichkeiten, die in dem Plot stecken würden, werden allesamt verschenkt.
So bleibt letztendlich auch nichts dauerhaftes hängen, obwohl die Situation mit den Seelen und ihrer friedlichen „Übernahme“ eigentlich sehr viel Stoff zum Nachdenken bieten könnten – aber dazu müsste auch der Roman erst einmal so angelegt sein, dass er zum Nachdenken anregt. Ich sollte jetzt vielleicht nicht mit so einem Vergleich kommen, aber ich kann gerade nicht anders: Wenn man vergleicht, was Suzanne Collins alles in ihre Panem-Trilogie gesteckt hat, wie sehr man an ihrer Dystopie zu knabbern hat und wie schonungslos sie schreibt, ist Meyers Roman noch enttäuschender.
Twilight ist ja wenigstens von Vornherein einfach nur als Liebesgeschichte zwischen Mensch und Vampir angelegt, aber „Seelen“ hätte das Potenzial zu einem wirklich großartigen und gesellschaftskritischen Roman! Wie kann man soviel Potenzial einfach verschenken? Wirklich, mir blutet da mein eigenes Schreiberherz.
Aber ehe ich jetzt noch ins Pathetische abdrifte: Ich halte den Roman nicht für völlig misslungen. Die Spannungen zwischen Wanda und Melanie, die schließlich zu einer Art Freundschaft führen, sind wirklich schön dargestellt – und Melanie ist außerdem eine sehr sympathische und starke Figur. Ich wäre als Leserin lieber in ihrem als in Wandas Kopf gewesen.
Die Idee selbst finde ich, wie schon mehrmals erwähnt, wirklich großartig, und schließlich ist Jamie einfach nur entzückend!
Zuletzt muss ich noch einräumen, dass der vollständige Roman durchaus besser sein mag als das Hörbuch. Ich frage mich zwar, was darin dann noch ausführlicher beschrieben ist (schon das stark gekürzte Hörbuch hat seine Längen!), aber die Kürzungen haben der Handlung sicher nicht allzu gut getan.
Leider kam ich auch mit der Sprecherin nicht wirklich klar. Ulrike Grote variiert ihre Stimme kaum und hat mit ihrer eher monotonen, „weinerlichen“ Art zu lesen wohl dazu beigetragen, dass Wanda noch schwächer und jammernder wirkte.
Für die guten Ansätze und einige liebenswerte Figuren vergebe ich letztendlich 2 Sternchen.
Das Buch "Seelen" ist wirklich sehr ausführlich und das ist manchmal sehr störend. Allerdings kann man ein Buch mit keinem HÖRbuch vergleichen:
Bücher können einen inspirieren, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen, bei einen Hörbuch ist trotzdem alles vorgegeben.