Rezensionen Sachbuch

Frances Wood – Marco Polo kam nicht bis China

Genre: Sachbuch
Seiten: 247
Verlag: Piper
ISBN: 978-3492038867
Meine Bewertung: 3 von 5 Sternchen

Historien-Challenge (Sachbuch – Mittelalter)

So berühmt Marco Polo auch für seine „Beschreibung der Welt“ ist, sein Werk wirft doch einige Fragen auf. Einige Forscher sind mittlerweile der Meinung, dass Marco Polo nie selbst bis nach China kam. Mit eben dieser Theorie beschäftigt sich nun Frances Wood. Sie untersucht Polos Werk genau in sprachlicher sowie sachlicher Hinsicht und erläutert genau jene Punkte, die widersprüchlich oder lückenhaft sind: Es ist nicht möglich, der Route von Marco Polo zu folgen – manche Städte werden falsch lokalisiert und einzelne Beschreibungen der Reise sind nicht nachvollziehbar. Außerdem verwendet Marco Polo für viele Orts- sowie Personennamen persische oder arabische Namen – warum nicht chinesische? Glaubt man seinen Berichten, müsste man zudem etwas über ihn in chinesischen Quellen finden, da er angeblich jahrelang einen einflussreiche Stellung bei Khubilai hatte – doch außerhalb seiner eigenen Beschreibung wird er nirgends erwähnt. Und schließlich erscheint es seltsam, dass Marco Polo bei all seinen genauen Beschreibungen weder die chinesische Mauer noch den allgegenwärtigen Tee noch die geschnürten Füße der Chinesinnen erwähnt.

All diese Probleme beleuchtet Frances Wood von mehreren Seiten. Sie überlegt, was die Gründe dafür sein können und bietet verschiedene Lösungsansätze. Ergänzend sucht sie auch noch weiteren Quellen über das Leben der Polos (welche kaum vorhanden sind) und diskutiert die Frage des „Ghostwriters“, denn im Prolog steht, dass Marco Polo einen Dichter beliebter Ritterromane, Rustichello, bat alles aufzuschreiben.
Zu einer eindeutigen Lösung kommt Wood letztendlich nicht, und es ist auch zu befürchten, dass es eine solche auch niemals geben wird. Weder kann bewiesen werden, dass Marco Polo tatsächlich in China war, noch, dass er nicht dort war. Sie selbst hält es für wahrscheinlich, dass er lediglich auf die Berichte seines Onkels und seines Vaters zurückgriff, während er selbst nicht über Konstantinopel hinauskam.

All ihre Ergebnisse präsentiert Wood zwar verständlich, manchmal aber etwas langatmig. Sie scheint oftmals vom hundertsten ins tausendste zu kommen, und so einige Male fragte ich mich, was ihre Ausführungen gerade mit der eigentlichen Fragestellung zu tun hatten. Außerdem finde ich die Struktur nicht immer ganz glücklich: Ihr Werk gliedert sich in mehrere Themenbereiche (so etwa die Namen, Rustichello als eigentlicher Autor, die Chinesische Mauer, etc.), die aber oft ineinander übergehen, wodurch es in den einzelnen Kapiteln zu Überschneidungen und Wiederholungen kommt. Auch erscheint die Anordnung der Kapitel teilweise ein wenig sprunghaft.

Das alles macht das Buch ein wenig sperrig. Wood hat hier sicher eine sehr sorgfältige Arbeit geleistet, und die Endnoten zeugen auch von einer umfangreichen Literaturrecherche, aber für interessierte Laien ist ihr Werk nur bedingt geeignet. Es scheint sich eher an jene zu richten, die sich bereits eingehender mit der Materie beschäftigt haben.
Für mich war das Buch wohl letztendlich doch zu speziell. Ich wollte etwas über Marco Polo erfahren und auch darüber, wie weit es sich bei seiner „Beschreibung der Welt“ um einen Tatsachenbericht handeln kann, wurde hier aber ein wenig von der Fülle der Details erschlagen. Einen wirklichen Überblick habe ich hingegen nicht bekommen – weder über Marco Polo allgemein noch über die eigentliche Fragestellung. Dafür verliert Frances Wood sich zu sehr in Details und bemüht sich zu wenig um Zusammenhänge und aufeinander aufbauende Kapitel.

Das Buch war durchaus interessant und hat mir auch einige Informationen geliefert, aber wirklich flüssig zu lesen war es nicht. Es kam mir teilweise eher so vor, als würde ich eine Dissertation lesen und nicht ein populärwissenschaftliches Werkt. Nicht, dass das per se schlecht wäre (bei Recherchen für meine eigene Dissertation freue ich mich über so sachliche und detaillierte Sekundärliteratur), aber sowohl die Aufmachung des Buches als auch der Klappentext haben bei mir andere Erwartungen geweckt.

Müsste ich mich wissenschaftlich mit Marco Polo beschäftigen, würde meine Bewertung vielleicht anders ausfallen – so aber gibt das von mir nur 3 von 5 Sternchen.

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