Gegenwartsliteratur Phantastisch Rezensionen

Albert Sánchez Piñol – Im Rausch der Stille

Genre: Phantastik
Seiten: 256
Verlag: Fischer
ISBN: 978-3100616029
Meine Bewertung: 1,5 von 5 Sternchen

Themen-Challenge (das Böse)

Ein Jahr lang soll der namenlose Ich-Erzähler Wetterbeobachtungen auf einer kargen Insel am Rande des südlichen Eismeers durchführen. Bei seiner Ankunft findet er das Haus verlassen vor, von seinem Vorgänger ist nichts zu sehen. Als einzige menschliche Gesellschaft hat er einen offenbar wahnsinnig gewordenen Leuchtturmwärter. Der Erzähler, ein irischer Freiheitskämpfer, sieht aber auch sonst in seinem Leben keine Perspektive mehr und entschließt sich daher zu bleiben. Als nachts schaurige Wesen dem Meer entsteigen und ihn angreifen, beginnt er seine Entscheidung zu bereuen.
„Im Rausch der Stille“ beginnt genial. Eine karge, kleine Insel im Südpolarmeer, die der Hauch des Unheimlichen umweht, ein irrer Leuchtturmwärter, ein Erzähler, der offensichtlich eine interessante Vergangenheit besitzt und ein sehr präziser Schreibstil. Das alles machte mir Hoffnung auf einen etwas unheimlichen Roman, der aber mehr ist als einfach nur Horror.
Aber wie sehr hat mich das Buch enttäuscht!
Nein, „Im Rausch der Stille“ ist nicht wirklich ein Horrorroman. Es ist nach den ersten Seiten auch kein Grusel mehr zu spüren und die Vergangenheit des Erzählers wird zwar zu Beginn thematisiert (und erklärt, weshalb er sich für so ein Unternehmen gemeldet hat), verleiht dem jungen Mann letztendlich aber auch keine wirkliche Tiefe.

Um mal eins meiner größten Probleme mit dem Buch auf den Punkt zu bringen: Es gibt keine einzige Figur, mit der man auch nur annähernd mitfiebern könnte. Der Ich-Erzähler ist uninteressant und über weite Strecken auch unsympathisch, Batís Caffó, der Leuchtturmwärter, ist nicht mehr ganz richtig im Kopf (kein Wunder, wenn man die äußeren Umstände betrachtet), darüber hinaus aber auch einfach nur unsympathisch und das weibliche Wasserwesen, das bei ihnen Zuflucht sucht, war mir ebenfalls ziemlich gleichgültig. Hätten die „Bösen“ alle drei bald getötet – ich hätte ihnen nicht nachgeweint.

Der Roman hätte wirklich viel Potenzial gehabt, auch mit der Frage, wie weit man im Kampf gegen das Böse gehen darf und ob die vermeintlich Bösen überhaupt als solche bezeichnet werden können. Aber indem Piñol die Wesen weder mit einer Geschichte, noch einem greifbaren Hintergrund oder auch nur einer wirklich klar erkennbaren Motivation ausstattet, lässt er diese Fragen eher im Nichts verlaufen.
Denn Tatsache ist, dass die Wesen letztendlich unwichtig sind. Es geht um zwei Menschen in einer Extremsituation, zwei Menschen, die ganz aufeinander angewiesen sind, in jeder Zusammenarbeit aber scheitern. Daneben verliert der Roman sich in pseudophilosopischen Ansätzen und in Parabeln, die ebenfalls im Nichts verlaufen. Am Ende bleibt einfach – gar nichts. Nur Aussichtslosigkeit und das völlige Scheitern eines Menschen, der es nicht schafft, in dieser Welt einen Platz zu finden.
Der Weg bis zu diesem Ende ist aber zäh und langwierig und nach einem starken Einstieg nicht mehr fesselnd. Die skurrilen Horrorelemente zerfasern in der platten Philosophie, eine wirklich tiefere Aussage liegt dem Roman aber auch nicht inne. Na gut, eine schon, eine äußerst plakative, um nicht zu sagen kitschige Moral, für die es sich nicht gelohnt hat, den ganzen Roman zu lesen.
Mittendrin habe ich überlegt, das Buch abzubrechen – hätte ich es nur getan! Am Ende war ich nur genervt (nicht zuletzt auch genervt vom Ende selbst) und habe mich über die verschwendete Zeit geärgert.
Die Kritiker überschlagen sich ansonsten fast vor Begeisterung – ist mir die eigentliche Aussage verborgen geblieben?
Möglich, aber ich habe auch keine Lust mehr, noch weiter darüber nachzudenken. Da nutze ich meine Zeit lieber, um ein anderes (und hoffentlich besseres) Buch zu lesen. Das hätte ich schon nach 100 Seiten machen sollen …

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