Abgesehen von Der Mahlstrom von Frode Granhus bin ich also wieder eher zu Krimiklassikern zurückgekehrt, aber nicht deshalb, weil mir der Roman von Granhus nicht gefallen hätte. Ganz im Gegenteil: Das war einer der besten Krimis, den ich in letzter Zeit so erwischt habe. Es geht dabei um zwei zunächst unabhängig voneinander verlaufende Mord- bzw. Verbrechensserien in Norwegen, die schließlich miteinander verknüpft werden. Besonders gut haben mir dabei die Ermittler gefallen, die recht interessante Persönlichkeiten abseits des üblichen knurrig-einsamen Inspektor-Klischees sind und mit ihren ganz speziellen familiären Problemen zu kämpfen haben. Leider ist mir die Verknüfung zwischen den Fällen gar zu vage gewesen und die tatsächliche Auflösung dann doch etwas zu abstrus. Insgesamt aber ein sehr spannender Krimi, dessen Autor ich mir für die Zukunft merken werde.
ungekürzte Lesung von Achim Buch; 4 von 5 Sternchen
Danach habe ich mich mit Alter schützt vor Scharfsinn nicht von Agatha Christie wieder einem beschaulichen Krimi zugewandt, wo man keine aufsehenerregenden Grausamkeiten wie bei Granhus findet. Das mag ich ja auch sehr an Agatha Christie, aber dieser Krimi hat mich nun gar nicht von den Socken gerissen. Ich bin ja grundsätzlich nicht so der große Fan von Tom und Tuppence, aber hier sind sie für mich wirklich auf dem Tiefpunkt angekommen.
Der Fall klingt zunächst ganz spannend, da sie durch Markierungen in einem Buch auf einen lange zurückliegenden Mordfall stoßen. Allerdings entwickelt sich daraus eine äußerst unübersichtlich-verworrene Geschichte, die sich auch nur dadurch aufklären lässt, dass sich alle möglichen Leute plötzlich in aller Deutlichkeit an lange zurückliegende Ereignisse erinnern. Zwischen diesen Erzählungen stolpern Tom und Tuppence eher ziellos herum, tragen wenig eigene Ermittlungsarbeit bei und bemühen sich in erster Linie, den Lesern auf die Nerven zu gehen.
Nein, das war nicht so ganz das Wahre (wie auch schon „Lauter reizende alte Damen“ nicht) – ich muss wohl mal wieder zu einem anständigen Poirot greifen, um nicht noch vollends an Agatha Christie zu zweifeln.
gekürzte Lesung von Peter Kaempfe; 2 von 5 Sternchen
Weiter ging es mit einer Kurzgeschichte, die es gratis auf audible gab und zwar Das Ritual der Familie Musgrave von Arthur Conan Doyle. Ich habe ja Sherlock Holmes erst sehr spät kennengelernt und zwar zu Beginn dieses Jahres mit The Hound of the Baskervilles. Wie der Baskerville-Fall hat mir auch jener der Familie Musgrave sehr gut gefallen. Die Besonderheit daran ist, dass dieser sich bereits vor längerer Zeit zugetragen hat und Watson von Holmes als ein Fall erzählt wird, der sich nie gänzlich aufgeklärt hat.
Trotz seiner Kürze entfaltet sich hier eine sehr spannende Geschichte, bei der mir nur ein Logikfehler aufgefallen ist, bei dem ich mir immer noch nicht ganz sicher bin, ob es tatsächlich einer ist oder einer kurzen Unaufmerksamkeit von mir geschuldet ist. Vielleicht werde ich mir das kurze Hörbuch irgendwann noch einmal anhören, um dem auf den Grund zu gehen.
Ansonsten ein sehr schöner Kurzkrimi, der gut die Eigenheiten von Holmes zeigt und mir Lust auf mehr gemacht hat.
ungekürzte Lesung von Wolfgang Gerber; 4 von 5 Sternchen
Schließlich habe ich mich mit Der Tote in der Badewanne von Dorothy L. Sayers auf meinen ersten Wimsey-Krimi gestürzt. Ich muss gestehen, dass ich damit einige Startschwierigkeiten hatte. Lord Peter Wimsey wurde für mich zunächst gar nicht greifbar und ich fühlte mich in Figuren hineingestoßen, die ich offensichtlich schon länger kennen sollte. Umso erstaunter war ich, als ich feststellte, dass es sich dabei sogar um den ersten Wimsey-Roman handelt. Meine Probleme mit den Figuren lagen also nicht daran, dass ich mittendrin in eine Krimireihe eingestiegen war.
Im Laufe des Romans fand ich mich dann aber doch ganz gut in Lord Peters Umfeld ein und bin nun durchaus neugierig darauf, mehr von ihm zu erfahren. Der Fall selbst – Mr. Tipps findet einen nackten Toten in seiner Badewanne, der einem eben verschwundenen Börsenmakler ähnelt – ist sowieso großartig und erst die Auflösung! Originell, aber dennoch stimmig und nachvollziehbar; ab einem bestimmten Punkt zwar zu erahnen und doch überraschend.
Schade, dass ich anfangs so gar nicht in den Roman hineinfinden wollte (hätte ihn beinahe abgebrochen), denn ansonsten hat mir der Krimi mit seinen interessanten Figuren sehr gut gefallen.
ungekürzte Lesung von Christian Brückner; 3,5 von 5 Sternchen
Ah, von den Lord Peter Wimsey-Krimis wollte ich eigentlich auch mal mehr lesen. Ich kenne da nur den einen, der im Glöcknermilieu spielt ("Der Glocken Schlag" oder "Die neun Schneider", je nach Ausgabe), und da fand ich auch die Krimihandlung großartig. Wimsey selber blieb in dem Roman auch eher im Hintergrund, aber das hat mich dabei gar nicht so sehr gestört, weil einfach der Krimi so klasse war. Das scheinen einfach rein plotbasierte Geschichten zu sein.
Dass Wimsey im Hintergrund blieb hat mich nicht so gestört, eher, dass ich in Figuren und ihre Beziehungen zueinander hineingeworfen wurde, ohne dass ich sie zunächst überhaupt zuordnen konnte. Ich wusste tw. gar nicht, wen ich da vor mir habe und was der mit Wimsey zu tun hat und wer genau Wimsey denn eigentlich ist – es kam mir einfach vor, als wäre ich mitten in eine Reihe spaziert, in der man die Figuren schon kennen soll.
Später kam dann doch noch einiges, vor allem Wimseys Trauma vom 1. WK, also so rein plotbasiert war die Geschichte gar nicht. Es hat halt nur sehr lang gedauert, bis ich die Möglichkeit bekam, die Figuren kennenzulernen.
Lord Peter gehört ja zu meinen absoluten Lieblingen (eine Jugendliebe, sozusagen), die ich immer und immer wieder lesen & hören kann (Suchti, der ich bin, hab ich nicht nur alle Bücher auf deutsch und englisch, sondern auch die Hörbücher… öhö, ja).
Das Problem bei "Der Tote in der Badewanne" als Einstieg in Hörbuchform liegt in meinen Augen daran, dass es gekürzt ist. Das ist zwar nachvollziehbar, bereitet aber genau das Problem, das du beschreibst. Am Anfang des Buches befindet sich nämlich eine Art Biographie, beschrieben von Peters Onkel Paul Delagardie. Darin erfährt man einiges über Lord Peter, seine Familie, Vorlieben und Vorgeschichte.
Hm, seltsam, das Hörbuch war nämlich als ungekürzt angegeben und 200 Seiten auf gut 6 Stunden – das käme auch ganz gut hin.
Ich nehme alles alles zurück 🙂 Man sollte nicht los schreiben, wenn man sich nur halb erinnert.
Deswegen hab noch mal in meinen Büchern geguckt – die Biographie ist nur in bestimmten deutschen Ausgaben enthalten, fehlt also in der Fassung, die dem Hörbuch zugrunde liegt. Und nachdem ich sie jetzt noch mal kurz gelesen habe, kann man sich auch darüber streiten, wie sinnvol sie ist – spiegelt sie doch nicht den Stand von Lord Peters Leben zum Zeitpunkt von "Der Tote in der Badewanne" wieder, sondern gute 15 Jahre später. Das heißt in der Biographie wird einem zwar Lord Peters Charakter vorgestellt, aber auch einiges aus späteren Büchern verraten – das ist natürlich ein "No Go"! Ist mir wohl nur deswegen nie bewusst aufgefallen, weil ich die Geschichten schon kannte, als ich sie auf deutsch gelesen habe. Wer also mit "Der Tote in der Badewanne" bei Lord Peter beginnt und eine Ausgabe mit Biographie beginnt, sollte diese überlesen!
Diese Erkenntnis muss ich mir für eine Rezension merken.
Interessant, danke für die Informationen. Ich hab jetzt aus Neugierde mal in eine englische Ausgabe reingelesen und da war diese Biographie nicht enthalten.
Bevor ich gespoilert werde, tapp ich auf alle Fälle lieber eine Weile im Dunkeln, also gut, dass die beim Hörbuch nicht dabei war. 😉