Genre: Klassiker
Seiten: 752
Verlag: dtv
ISBN: 978-3423124058
Meine Bewertung: 2,5 von 5 Sternchen
Themen-Challenge (Schuld)
Der mittellose Student Raskolnikow tötet eine alte Pfandleiherin – nicht nur aus seiner finanziellen Not heraus, sondern auch, weil er sich auf eine Stufe mit großen Menschen der Weltgeschichte stellen möchte, die für ihn außerhalb aller Gesetze stehen. Doch nichts läuft wie geplant und er entgeht nur mit viel Glück einer sofortigen Verhaftung. Die Angst aufzufliegen und sein Gewissen machen ihm fortan zu schaffen, bis er sich in einen regelrechten Verfolgungswahn hineinsteigert.
Ich habe den Roman mit sehr großen Erwartungen begonnen – und bin nun etwas ratlos, was ich überhaupt in dieser Rezension schreiben soll. So sicher war ich mir, dass „Schuld und Sühne“ mir gefallen würde, dass ich beim Lesen nahezu schockiert war, als ich von dem Roman die meiste Zeit nur genervt oder gelangweilt war.
Ich habe in meinem Leben schon so einige „ältere“ Literatur gelesen – und zwar auch deutlich ältere Werke als dieses hier – aber noch nie waren mir die Figuren so fremd wie hier. Jede einzelne zeichnete sich für mich vor allem durch zwei Eigenheiten aus: ein völlig irrationales und übertriebenes Verhalten sowie endlose Redeströme ohne Punkt und Komma.
Der Roman wird als großartige psychologische Studie gepriesen, aber mir kamen sämtliche Figuren nur seltsam und die meiste Zeit unerträglich vor. Selbst bei Raskolnikow konnte ich eine gewisse Linie, die in seiner Charakterentwicklung verfolgt wird, erst sehr spät erkennen. Das liegt vielleicht daran, dass der Roman vor Nebenhandlungen und Abzweigungen nur so strotzt – bei vielen Episoden ist mir bis jetzt nicht klar, was sie zur eigentlichen Handlung beigetragen haben.
Erst zum Ende hin kommt es zu einer gewissen Verdichtung und zu wirklich interessanten Konfrontationen. Da konnte mich der Roman tatsächlich fesseln und faszinieren.
Ich muss aber ehrlich sagen: Allein der Gedanke „Man muss dieses Stück Weltliteratur gelesen haben“ hat mich von einem frühen Abbruch abgehalten.
Ich merke, dass ich mich hier sehr an den Figuren aufhänge, würde aber auch sagen, dass mit ihnen der Roman steht und fällt. Wen die Figuren faszinieren, der wird „Schuld und Sühne“ wohl großartig finden, während ich die meiste Zeit nur gerätselt habe, was den Roman literarisch so wertvoll macht. Schon lange habe ich mich beim Lesen nicht mehr so ratlos gefühlt wie hier. Ich hatte ab und an Studienlektüre, die mir nicht „gefallen“ hat in dem Sinn – bei der ich aber verstehen konnte, was sie so besonders/beliebt/berühmt machte.
Natürlich, hier sind es die Charakterstudien von Rakolnikow und den anderen Figuren sowie die Konzepte von Schuld und Reue/Sühne. Aber ich finde, dass sich diese Themen oft völlig verlieren in Nebenhandlungen und Nebenfiguren. Wie schon oben geschrieben, kam für mich die wirklich interessante Auseinandersetzung mit diesen Themen erst sehr spät.
Ich habe beinahe ein schlechtes Gewissen, dass ich einen so berühmten Klassiker so schlecht bewerte und nichts anderes als eine so armselige Rezension zustande bringe, aber das hier ist einfach nur ein schlichter Leseeindruck – und der war bei mir leider nicht sehr positiv.
Wer aus meinen schwammigen Formulierungen hier nichts mitnehmen konnte und mehr Einzelheiten über den Roman wissen möchte, dem lege ich die wirklich großartige und ausführliche Rezension von Mila ans Herz.
„Allein der Gedanke "Man muss dieses Stück Weltliteratur gelesen haben" hat mich von einem frühen Abbruch abgehalten.“
Ich glaube auf die Klassifizierung „Weltliteratur“ sollte man nicht allzu viel geben und sich erst recht nicht davon beeindrucken lassen. Man liest einfach die Bücher, die man für seine eigene Welt wichtig oder angenehm hält.
„Ich habe beinahe ein schlechtes Gewissen, dass ich einen so berühmten Klassiker so schlecht bewerte“
Insofern empfinde ich ihre Ehrlichkeit als sehr angenehm. Ihre Bescheidenheit jedoch ist sicherlich gar nicht von Nöten. Mit dem Etikett „Weltliteratur“ sollte man gelassen umgehen.
„und nichts anderes als eine so armselige Rezension zustande bringe.“
An dieser Rezension ist doch nichts armselig. Sie hat das Buch gelangweilt und verwirrt. Es hat Ihnen die Zeit geklaut. Dann sollte man das auch so deklarieren, wie Sie es getan haben.
Schuld und Sühne gehört übrigens zu meinen Lieblingswerken von Dostojewski. Insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen Raskolnikov und Porfiri Petrowitsch!
Ach und Danke für den Link zu Rezension von Mila.