Jugendbuch Kinderbuch Rezensionen

Julie Campbell – The Secret of the Mansion (Trixie Belden 1)

Genre: Kinder-/Jugendbuch, Abenteuer
Seiten: 272
Verlag: Random House Books for Young Readers
ISBN: 978-0375824128
Meine Bewertung: 4,5 von 5 Sternchen

2. Chance Challenge
English-Challenge  (Strafbuch für Juli) 

Die 13jährige Trixie sieht einen Sommer voller Langeweile auf sich zukommen: Ihre älteren Brüder sind beide im Sommercamp und in der näheren Umgebung ihrer Farm im Hudson River Valley gibt es keine Kinder in ihrem Alter. Doch dann zieht in das nahegelegene Herrenhaus die Familie Wheeler ein, mit deren Tochter Madeleine, genannt Honey, sich Trixie rasch anfreundet. Als die beiden das leerstehende Nachbarhaus zu erforschen beginnen und dort auf den Ausreißer Jim stoßen, fängt das Abenteuer erst so richtig an.
Als Kind habe ich die Trixie Belden-Reihe geliebt, auch wenn mich der 1. Band zunächst nur mit in der Inhaltsangabe erwähnten Pferden geködert hat (die durchaus vorkommen, aber keine so prominente Rolle spielen, dass es sich um ein Pferdebuch handeln würde). Nun habe ich mich aus Neugierde mal auf das englische Original gestürzt und bin begeistert – und schockiert über die massiven Änderungen in der Übersetzung, aber dazu weiter unten mehr.
Die Trixie Belden-Bücher gehören zu den typischen Abenteuerserien, in denen Kinder/Jugendliche Rätsel lösen, mysteriösen Ereignissen auf die Spur kommen und eben allerlei Abenteuer erleben. „The Secret of the Mansion“ ist 1948 erschienen, also nur wenige Jahre nach dem ersten „Famous Five“-Band von Enid Blyton, aber die beiden Reihen sind kaum miteinander vergleichbar. Obwohl ich die 5 Freunde immer geliebt habe, kann man dort nicht wirklich von vielschichtigen Figuren sprechen und das Rollenverhältnis zwischen Mädchen und Jungs ist doch dort recht altmodisch.
Ganz anders bei Trixie Belden: Zwar gibt es auch hier Stereotypen wie etwa den bösen Stiefvater oder das reiche, aber unglückliche Mädchen, aber insgesamt hat Julie Campbell sehr lebendige und auch glaubwürdige Charaktere geschaffen, die sich auch stark weiterentwickeln. Die mutige, energische Trixie, die oft recht rücksichtslos und gedankenlos sein kann und allmählich lernen muss, erst einmal nachzudenken, ehe sie etwas tut oder sagt, ist nicht nur unglaublich sympathisch, sondern eine echte Identifikationsfigur für junge Mädchen.
Honey (boah, gabs da keinen besseren Namen?) ist hingegen eher ängstlich und vorsichtig, aber sie steht dennoch nicht in Trixies Schatten. Nicht nur, weil sie in manchen Situationen über sich hinauswächst, sondern auch, weil Julie Campbell sie mit all ihren Ängsten, aber auch ihrer Einfühlsamkeit und Hilfsbereitschaft so liebevoll zeichnet, dass sie der Titelheldin auf alle Fälle ebenbürtig ist.
Auch die anderen Figuren, wie Jim Frayne (ein Schwarm meiner Kindheit), Trixies kleiner Bruder, ihre Eltern und Honeys warmherzige Gouvernante Miss Trask werden facettenreich geschildert.
Die kleine Kriminalhandlung um Jim, seinen Stiefvater und den vermeintlichen Schatz im Nachbarhaus ist spannend, steht aber nicht immer im Vordergrund. Vielmehr geht es um lange Sommertage mit Picknick und kleinen Ausflügen, das Entstehen einer tiefen Freundschaft und das Wachsen an sich selbst.
Ein richtig schönes und herzerwärmendes Kinderbuch also, das manchmal Klischees bedient, aber nicht in Stereotypen verhaftet ist.
Es hat sich auf alle Fälle sehr gelohnt, mal das englische Original zu lesen, da die deutsche Übersetzung nicht nur einiges ändert, sondern vor allem massiv gekürzt wurde. Nur mal ein Blick auf die Seitenzahl: Das deutsche Schneiderbuch hat ungefähr 150 Seiten, die englische Ausgabe ungefährt 270! Nun sagen Seitenzahlen alleine nicht viel aus, aber die Schrift in der deutschen Übersetzung ist ja nun auch nicht gerade klein oder die Seiten allzu eng beschrieben. Beim Lesen ist mir auch tatsächlich aufgefallen, dass zahlreiche Szenen vorkamen, die ich noch nicht kannte. Anscheinend wurden wirklich ganze Passagen des Buches gestrichen und zwar vor allem Passagen, in denen es um Freundschaft und Charakterentwicklung geht. Im Original entwickelt sich das alles langsam und gut nachvollziehbar, in der Übersetzung eher von einem Moment zum nächsten.
Dass man früher in Kinderbüchern Namen eingedeutscht hat, ist ja sowieso nichts neues. So wurde Honey zu Brigitte (okay, das ist wohl eine gewisse Verbesserung), Jim Frayne zu Uli Frank, Miss Trask zu Fräulen Trasch usw. Allerdings ging man hier noch darüber hinaus und verlegte den gesamten Schauplatz vom amerikanischen Sleepyside (das im Original sogar zu einer Anspielung auf Irvings Legende von Sleepy Hollow führt) nach Lindenberg in der Lüneburger Heide. Das wiederum führt zu einigen Unstimmigkeiten wie etwa die Tatsache, dass es in Niedersachsen nicht unbedingt vor giftigen Schlangen wimmelt und man in Deutschland den Führerschein nicht mit 16 macht. Überhaupt hatte ich schon als Kind das seltsame Gefühl, als würde vieles nicht unbedingt nach Deutschland passen.
Im Verlauf der späteren Bände hat man dann auch teilweise darauf verzichtet, die Figuren weiter älter werden zu lassen, sodass Trixie nach einer einmaligen Erwähnung ihres 15. Geburtstages dann auf einmal wieder 14 ist und das auch bleibt.
Ich finde das alles sehr schade, und wenn ich da an die eigenartige Änderung der Bandreihenfolge bei Sofie denke, scheint es allgemein so, als hätte man Kinderbücher früher nicht besonders sorgfältig übersetzt.
Daher kann ich allen, die die Trixie Belden-Nostalgie packt, nur empfehlen, es einmal mit dem amerikanischen Original zu versuchen.

8 thoughts on “Julie Campbell – The Secret of the Mansion (Trixie Belden 1)

  1. ??? Aus Jim Frayne wird Uli Frank und Honey wird zu Brigitte???? Was ist das denn? Und… hehe, es spielt in der Lüneburger Heide? Das find ich echt köstlich. Muss man erstmal drauf kommen…
    Nicht zu fassen, dass manche Bücher so geändert werden, und man es (vor allem als Kind natürlich) nicht mal ahnt. Gab es Urheber-und derartige Rechte damals noch nicht?

    1. Ja, das ist schon ziemlich schräg, wobei natürlich eins zum anderen führt: ein Jim Frayne und eine Honey Wheeler würden nicht wirklich in die Lüneburger Heide passen. *g*
      Allerdings ist das ja nicht nur eine Sache von "damals", eine Eindeutschung/Änderung von Namen findet man ja auch jetzt noch sehr häufig bei Übersetzungen.

    1. Ich mochte die Serie früher ja auf Deutsch, deshalb denke ich schon, dass mir das Original gefallen wird. 😀 Da ich leider keines der Bücher selber habe, wird es spannend herauszufinden welche Änderungen mir so ins Auge fallen. 😉

  2. Hach…Trixie hab ich als Kind auch gelesen und solche Sachen wie Hanni&Nanni oder Tina&Tini. Da bekomme ich tatsächlich Lust, mir die Bücher auch mal auf Englisch zu besorgen!

    1. Hanni&Nanni, Tina&Tini und Dolly hab ich als Kind auch verschlungen! Kein Wunder, dass ich später Harry Potter so mochte, der hat ja an meine damalige Internatsbücher-Vorliebe angeknüpft. 😉

  3. Sehr schöne Rezi! Ich überlege nur noch – kaufe ich das Buch sofort oder gönne ich ihm erstmal einen Platz auf meiner Wunschliste?

    Hach, immer diese Entscheidungen…

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