Genre: Sachbuch, Erfahrungsbericht
Seiten: 320
Verlag: Piper
ISBN: 9783492239219
Meine Bewertung: 4 von 5 Sternchen
Der Nanga Parbat war für Reinhold Messner Triumph und Tragödie gleichermaßen: 1970 gelang ihm mit seinem Bruder Günther die Erstbesteigung von der Rupalwand aus, doch beim Abstieg kam Günther ums Leben. Über 30 Jahre später schildert Reinhold Messner nun die Ereignisse – und sucht dabei nach den Ursachen, die zu dem Unglück geführt haben.
Dieses Buch entstand im Zuge der langen Debatten über die Frage nach den genauen Umständen von Günthers Tod. Erst während und nach der Lektüre habe ich mich über die unschöne Auseinandersetzung informiert, die zwischen Reinhold Messner und dem Expeditionsleiter Karl Herrligkoffer sowie weiteren Expeditionsteilnehmern stattgefunden hat. Hintergrund des ganzen war, dass die Messner-Brüder nach Erreichen des Gipfels einen anderen Abstieg wählten, bei dem Günther schließlich starb. Herrligkoffer warf Reinhold Messner vor, er habe die Überschreitung des Gipfels geplant und mit seinem Ehrgeiz den Tod seines Bruders verschuldet, da sie durch die geänderte Route nun fernab der Lager und möglicher Hilfe unterwegs waren. Messner hingegen erklärte, er habe diese leichtere Abstiegsroute gewählt, weil der
schlechte Zustand seines Bruders einen Abstieg über die Rupalwand nicht
erlaubte und beschuldigte seinerseits Herrligkoffer und die anderen Expeditionsteilnehmer der unterlassenen Hilfeleistung.
schlechte Zustand seines Bruders einen Abstieg über die Rupalwand nicht
erlaubte und beschuldigte seinerseits Herrligkoffer und die anderen Expeditionsteilnehmer der unterlassenen Hilfeleistung.
Wer in diesem Buch nun nach der endgültigen Wahrheit sucht, wird nicht fündig werden. Messner schildert darin natürlich seine Sicht der Dinge, die weitgehend einleuchtend klingt, in den Details aber doch einige Fragen aufwirft. Ob sich nun wirklich alles genau so zugetragen hat, wie Messner es beschreibt und ob man überhaupt jemandem die Schuld an der Tragödie geben kann, lässt sich auch nach der Lektüre nicht klar sagen.
Ganz unabhängig von diesen Fragen ist „Der nackte Berg“ aber ein sehr spannendes und gut zu lesendes Buch. Messner fasst darin zunächst die früheren Besteigungen des Nanga Parbat zusammen und berichtet, wie es dazu kam, dass er und sein Bruder bei der Expedition von 1970 dabei waren. Der Hauptteil des Buches widmet sich dann eben jener Expedition, wobei die Erinnerungen Messners durch Briefe und Tagebucheintragungen der Brüder ergänzt werden. Dabei wird deutlich, dass schon vor der Besteigung nicht alles glimpflich verlief und die Stimmung teilweise von Misstrauen und Unsicherheiten geprägt war.
Messner versteht es sehr gut, die Tage am Nanga Parbat anschaulich zu beschreiben und auch völligen Laien die Schwierigkeiten und Probleme, die mit einer solchen Expedition verbunden sind, näherzubringen. Man merkt beim Lesen auch, wie sehr ihn der Tod seines Bruders und sein eigener schwieriger Abstieg ihn mitgenommen haben.
Ich muss aber zugeben, dass mir Messner dennoch in seinen Erzählungen nicht sehr sympathisch war, da er sehr von sich überzeugt und teilweise auch selbstgerecht erscheint. Da Herrligkoffer ebenfalls kein einfacher Mensch gewesen sein durfte, kann man schnell nachvollziehen, wie es zu den späteren Auseinandersetzungen kam, die offensichtlich von beiden Seiten mit heftigen Anschuldigungen verbunden waren.
Alles in allem ist „Der nackte Berg“ ein sehr faszinierendes und spannendes Buch, das die Besteigung des Nanga Parbat und die tragischen Folgen ausführlich schildert, dabei allerdings ebenso viele Fragen aufwirft wie es Antworten gibt.
Ich glaube, es braucht eine bestimmte Persönlichkeit, um solche Extremvorhaben zu planen und durchzuziehen – und solche Persönlichkeiten liegen mir auch nicht. Ich kann in gewissem Maßen den Reiz eines solchen Vorhabens nachvollziehen und man muss atemberaubende Natureindrücke erhalten können, aber ich glaube auch, dass mit so einem Projekt eine gewisse Rücksichtslosigkeit auf Seiten aller Beteiligten vorherrschen kann und das finde ich unangenehm.
Ja, das mag stimmen, wobei es sicher auch Gegenbeispiele gibt (in Jon Krakauers "In eisige Höhen" fallen mir da einige ein). Aber insgesamt werden wohl tatsächlich solche Persönlichkeiten vorherrschen.
Hast du schon mal den Film "Nanga Parbat" gesehen? Da geht es ja auch genau um diese Geschichte. Ich weiß allerdings nicht, wessen Version Vilsmaier in seinem Film folgt … Interessant wäre es für dich nach der Lektüre des Buches aber bestimmt.
Der Film folgt quasi derselben Version, da Vilsmaier mit Messner zusammengearbeitet hat und Herrligkoffer zu dem Zeitpunkt auch schon tot war.
Gesehen habe ich den Film allerdings noch nicht. Vielleicht leih ich ihn mir mal aus der Bücherei aus.