Phantastisch Rezensionen

Maike Claußnitzer – Tricontium

erschienen bei Books on Demand
ebook in den gängigen Onlineshops erhältlich; Taschenbuch sollte zudem in allen Buchhandlungen bestellbar sein

woher: Kobobooks (ebook)
entdeckt durch die Bibliotheka Phantastika

Die Protagonisten dieses Romans befinden sich nicht gerade am Höhepunkt ihres Lebens: Die Richterin Herrad wird in das abgelegene Tricontium versetzt, ihr Hauptmann Ardeija findet sich im Gefängnis wieder und muss dort feststellen, dass sein Jugendfreund Wulfila mittlerweile zum Dieb geworden ist. Und auch mit dem Reich selbst steht es nicht zum besten. Gräber werden geplündert, Tote gehen um und die Konflikte des vergangenen Bürgerkriegs scheinen noch immer unter der Oberfläche zu schwelen.
Mitte April ist mir eine sehr höfliche Rezensionsanfrage von Maike Claußnitzer in den Posteingang geflattert, die außerdem gezeigt hat, dass die Autorin sich tatsächlich auf meinem Blog umgesehen hatte. Eine Seltenheit und noch dazu handelte es sich bei „Tricontium“ um einen Roman, der schon seit langem auf meiner Wunschliste stand, da er in einem Forum als „so ähnlich wie Guy Gavriel Kay“ bezeichnet worden war. Ich war also fast geneigt, bei meiner „keine Reziexemplare“-Politik eine Ausnahme zu machen.
Letztendlich habe ich der Autorin zwar doch eine Absage geschickt, da ich den Druck hinter Rezensionsexemplaren nicht mag, die Mail aber als Anlass genutzt, mir endlich einmal das ebook zu kaufen.
„Tricontium“ ist ist in einem alternativen Frühmittelalter angesiedelt. Das Setting erinnert in der Organisation und der Namensgebung an das Fränkische Reich und es wird auch immer wieder Bezug auf das untergegangene Imperium Romanum genommen. Dennoch handelt es sich um ein phantastisches Setting mit erfundenen Städten, Geistern, Drachen und Trollen. Mir hat diese Mischung sehr gut gefallen, umso mehr, weil das ohnehin eine Epoche ist, die mich interessiert. Da der vergangene Bürgerkrieg immer noch große Auswirkungen auf die Vergangenheit hat, kommt zudem eine historische Tiefe hinein, die den Eindruck einer sehr sorgfältig ausgearbeiteten Welt vermittelt. Ich habe es nur schade gefunden, dass es keine Überblickskarte gab, da ich kein rechtes Gefühl für die Distanzen und die Lage der verschiedenen Städte bekommen habe.
Auch die Figuren habe ich als rundum gelungen empfunden. Sie sind alle gut ausgearbeitet und glaubwürdig gezeichnet und fallen nicht in ein klares Gut/Böse-Schema. Auch die Antagonisten sind keine Bösewichte in dem Sinn und haben nachvollziehbare Motivationen. Noch dazu ist Herrad ein perfektes Beispiel für eine gut geschriebene Frauenfigur. Das liegt sicher unter anderem daran, dass in der Welt von Tricontium Gleichberechtigung herrscht und man es daher nicht mit ermüdenden Geschlechterkämpfen zu tun hat, aber die Richterin ist auch darüber hinaus eine tolle, starke Figur mit viel Verstand, die zudem keine Angst vor Gefühlen hat, ohne aber deshalb zur liebeskranken Dumpfbacke zu mutieren.
Neben ihr haben mich auch Ardeija und Wulfila als sehr sympathische und starke Figuren überzeugt sowie auch einige Nebencharaktere.
Die Grundzutaten für ein echtes Lesehighlight wären also vorhanden, aber leider konnte mich der Plot nicht ganz überzeugen. „Tricontium“ ist gewissermaßen ein politisches Kammerspiel – es geht mehr um Intrigen und Bündnisse als um Action und Kämpfe. Das würde an sich meinen Lesevorlieben entgegenkommen, aber ich habe die Handlung teilweise dann doch als zu behäbig und zu verworren empfunden. Manche Szenen waren mir einfach zuviel Gerede, ohne dass es den Plot vorangetrieben hätte und stellenweise haben auch die – an sich recht interessanten – Rückblenden überhand genommen. Ich habe nichts gegen eine etwas langsamere Erzählweise, aber hier bin ich doch der Meinung, dass ein beherztes Kürzen dem Roman ebenso gut getan hätte wie ein besser erkennbarer roter Faden. Zwischendurch hätte ich teilweise nicht einmal mehr sagen können, worum es denn nun eigentlich genau geht.
Das soll nicht heißen, dass mir die Handlung als gesamtes nicht gefallen hätte, aber ich hatte einfach den Eindruck, dass der Roman hier nicht sein ganzes Potenzial ausschöpft.
Was ich dagegen sehr schön fand, das ist die positive Grundstimmung. Es ist bei weitem nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen, aber es gibt relativ wenig Gewalt und es schwingt immer ein gewisser Optimismus mit, den man in dieser Art von erwachsener, politischer Fantasy nicht so oft findet.
Insgesamt war „Tricontium“ ein sehr lesenswertes Buch mit einem tollen Hintergrundsetting und wunderbaren Figuren, das für mich aber auf der Plotebene deutliche Schwächen hatte. Ich habe es aber keineswegs bereut, mir das ebook gekauft zu haben, zumal sich die Lektüre schon alleine für den kleinen Drachen Gjuki lohnen würde, den heimlichen Helden des Romans. Jeder bräuchte einen Gjuki!

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