Rezensionen Sachbuch

Peer Bergholter & Jochen Müller – Mittendurch statt drüber weg

Hörbuch erschienen bei Audible Studios
ungekürzte Lesung von Robert Frank und Oliver Kube

Die Freunde Peer und Jochen sind Mitte dreißig, als sie aus ihrem ständig gleichen Alltagstrott ausbrechen wollen. Sie beschließen, gemeinsam um die Welt zu reisen und dabei das Weg zum Ziel zu machen: Statt mit dem Flugzeug geschwind vom einen Ort zum nächsten zu kommen, wollen sie mit Bussen, Zügen und Schiffen reisen. Knapp eineinhalb Jahre lang sind sie unterwegs und machen in dieser Zeit allerlei bereichernde, interessante, aber auch erschreckende Erfahrungen.

Ich lese gern Reiseberichte und besonders gern von abenteuerlichen Reisen, die ich selbst so nie wagen würde. Dementsprechend habe ich mich mit freudigen Erwartungen in dieses Hörbuch gestürzt und muss sagen, dass diese sogar noch übertroffen wurden. Peer und Jochen reisen durch Russland und die Mongolei nach Südostasien und über Australien nach Südamerika – und besuchen dabei besonders Orte, die nicht die üblichen Tourismusländer sind wie etwa Osttimor oder Venezuela.

Ihr Beschluss, auf Flugzeuge zu verzichten, führt nicht nur zu einigen logistischen Herausforderungen (manche Strecken sind ohne Flugzeug kaum zu bewältigen), sondern auch dazu, dass sie oft stunden- und tagelang mit Bussen und Zügen unterwegs sind. Hier wählen die beiden nicht etwa den bequemen Weg, sondern sind in der 3. Klasse unterwegs und quetschen sich in überfüllte Busse. Den Gleichmut, mit dem die beiden schwierige Reisebedingungen hinnehmen und sich stattdessen über die vielen spannenden Gespräche und Begegnungen mit Einheimischen freuen, fand ich bemerkenswert. Oft sind die beiden die einzigen Touristen weit und breit, was mitunter auch daran liegt, dass sie sich in Gegenden wagen, von denen ihnen rundherum alle abraten. Das führt tatsächlich auch zu einigen gefährlichen Situationen und die beiden verbringen so einige Stunden mit Verhören bei Grenzübergängen. Ihre Entscheidungen sind oft mutig, teilweise aber auch leichtsinnig. Ich habe beim Hören die beiden oft um ihre Erlebnisse und vor allem um ihre Begegnungen beneidet, die ich so wohl nie machen könnte – dafür wäre ich viel zu ängstlich, aber auch misstrauisch fremden Menschen gegenüber. Peer und Jochen dagegen suchen überall den Kontakt zu Menschen, stürzen sich aufgeschlossen und ohne Vorurteile in alle möglichen Situationen und machen dabei Erfahrungen, die wohl die wenigsten auf einer Reise machen. Interessant fand ich auch, wie sie in Australien einen wahren Kulturschock erleben, als sie sich auf einmal wieder zurück in der „westlichen“ Welt finden und damit so gar nichts mehr anfangen können.

Das Buch erzählt abwechselnd aus der Sicht von Peer und Jochen (beim Hörbuch gab es passenderweise zwei verschiedene Sprecher) und das teilweise auch mit gnadenloser Ehrlichkeit. Die beiden sparen nicht aus, was sie am jeweils anderen stört und dass sie sich manchmal auch ordentlich auf die Nerven gingen. Streckenweise trennen sich auch ihre Wege und sie erkunden unterschiedliche Länder, aber man merkt, dass sie doch am liebsten gemeinsam reisen.

„Mittendurch statt drüber weg“ ist ein sehr unterhaltsames und interessantes Buch über eine Reise der etwas anderen Art, mit dem ich wirklich meine Freude hatte. Am Ende war ich traurig, dass die Reise zu Ende war – ich hätte die beiden auch gern noch durch mehr Länder begleitet.

4 thoughts on “Peer Bergholter & Jochen Müller – Mittendurch statt drüber weg

      1. Ich bin optimistisch. 🙂 Bevor ich das Hörbuch hören kann, muss ich aber erst einmal mit Audible wieder klären, wie ich meine verflixten Hörbücher runtergeladen bekomme. *grummel*

  1. Kia ora, Neyasha.
    Ein Fernweh, oder auch nur die Lust zu Reisen, verspühre ich eigentlich nie. Seit Mitte der Siebziger habe ich nicht einmal Deutschland verlassen. Mir genügt im Grunde jede Dokumentation, um einen Blick in die Ferne zu werfen. Mich selbst beteilige ich recht ungern an einem Abenteuer – deshalb vermutlich. ?
    Anmerkenswert, dass das Cover die beiden Reisenden in „Superheldenposen“ darstellt.
    Ein wenig frage ich mich nur, ob die eingegangene Aufgeschlossenheit/Vorurteilsfreiheit der beiden Reisenden lediglich in eine (!) Richtung ging, wenn sie in Australien dann einen „Kulturschock“ angeben; denn im Grunde sollte die Offenheit ja in beide Richtungen funktionieren können. Denke ich. ?

    bonté

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