Klassiker Rezensionen

[Kurzrezensionen] Drei Klassiker

Leo Tolstoi – Familienglück

Nach dem Tod ihrer Eltern führt Marja Alksandrovna, genannt Masa, ein langweiliges Leben auf dem Land, mit ihrer Gouvernante als einzige Gesprächspartnerin. Ihr Vormund Sergej Michajlyc bringt die sehnsüchtig erhoffte Abwechslung und allmählich entdecken die beiden ihre Gefühle füreinander. Masa gibt sich ganz ihrer Schwärmerei für Sergej hin und freut sich darauf mit der Hochzeit ihrem öden Leben zu entkommen. Doch die Ehe erweist sich als weniger aufregend als gehofft und so stürzt sie sich in Petersburg ins gesellschaftliche Leben.

Da mich „Anna Karenina“ so begeistert hat, wollte ich unbedingt mehr von Tolstoi lesen und dieses Frühwerk von ihm klang nach einer sehr schönen Lektüre. Und das war sie auch, obwohl mir hat die kurze Erzählung nicht uneingeschränkt gefallen hat. Zunächst wird ganz wunderbar die Atmosphäre der Sommer auf dem Land eingefangen und Tolstoi beschreibt einfühlsam, wie die anfängliche Leidenschaft und Schwärmerei von Masa zunehmend Ernüchterung Platz macht. Gerade zum Ende hin war mir aber dieser Roman doch zu moralisierend. Die Beziehung zwischen einer jungen Frau und ihrem Vormund könnte man ohnehin als problematisch betrachten, aber zu Beginn scheint die Beziehung sogar noch mehr auf Augenhöhe zu sein als am Ende, wenn Masa nahezu von Sergej erwartet, dass er sie lenkt und leitet. Die Zeitlosigkeit und fast schon Aktualität, die mich an „Anna Karenina“ so begeistert hat, ist hier jedenfalls nicht zu spüren. Trotzdem ein schöner, sehr stiller Klassiker.

Stefan Zweig – Schachnovelle

Über zehn Jahre nach Abschluss meines Germanistik-Studiums habe ich nun endlich ein Werk von Stefan Zweig gelesen – das war aber auch an der Zeit! Für den Zweig-Einstieg habe ich mit der „Schachnovelle“ gleich sein bekanntestes Buch gewählt, das nun auch aktuell verfilmt wurde. Es handelt sich dabei um Zweigs letztes Werk, das er zwischen 1938 und 1941 im brasilianischen Exil geschrieben hat.

In dieser kurzen Novelle trifft der Ich-Erzähler während einer Schiffreise auf den Schachweltmeister Czentovic, der von anderen Passagieren herausgefordert wird. Während einer der Partien mischt sich ein weiterer Passagier in das Geschehen ein, der alle Züge von Czentovic vorauszusehen scheint. Später erfährt der Ich-Erzähler, unter welchen Umständen der Fremde sich das Schachspielen beigebracht hat. In dieser Binnenhandlung, die den eigentlich Kern der Erzählung darstellt, wird die erschütternde Geschichte einer politischen Gefangenschaft während des Zweiten Weltkriegs geschildert, bei der der Gefangene auf unmenschliche Weise zum Reden gebracht werden soll.

Eine sehr eindringliche und einfühlsame Geschichte, knapp und präzise erzählt. Ich bin auch neugierig auf die filmische Umsetzung, zumal ich mir kaum vorstellen kann, wie sie als Film funktionieren soll.

Daphne du Maurier – Jamaica Inn

Nach dem Tod ihrer Mutter zieht Mary Yellan von der heimatlichen Farm in das unwirtliche Moor von Cornwall. Ihre Tante Patience und ihr Onkel Joss leben hier im Jamaica Inn, das einst ein angesehenes Gasthaus war, um das aber nun alle einen weiten Bogen machen. In manchen Nächten tummeln sich hier zwielichtige Gestalten, die dunklen Geschäften nachgehen – und gegen ihren Willen wird Mary mehr und mehr in diese verstrickt.

„Jamaica Inn“ ist ein sehr atmosphärischer Roman mit einer sympathischen und tatkräftigen Heldin. Obwohl von Anfang an ein starkes Gefühl der Bedrohung über dem Gasthaus liegt und die Stimmung teilweise sehr bedrückend ist, vermittelt die Geschichte auch viel Ruhe und Schönheit. Das liegt unter anderem auch an den wundervollen Beschreibungen des winterlichen Moores, das zwar düster und unwirtlich ist, Mary aber dennoch ans Herz wächst. Zum Ende hin wird es dann richtig actionreich und dank Jem, dem jüngeren Bruder von Joss, kommt auch ein wenig Romantik mit ins Spiel.

Für mich kann „Jamaica Inn“ zwar nicht ganz mit „Rebecca“ und „Meine Cousine Rachel“ mithalten, aber ich finde es dennoch sehr empfehlenswert – und genau das richtige für den Spätherbst oder Winter.

3 thoughts on “[Kurzrezensionen] Drei Klassiker

      1. Bislang nur „Rebecca“, was ich mochte und was dazu führte, dass ich mir mehr von der Autorin vorgenommen habe. Aber wie so oft mit diesem Vorhaben kam es bislang nicht zur Umsetzung … *g*

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