Rezensionen

Chris Whitaker – Von hier bis zum Anfang

Hörbuch erschienen bei Osterwold audio (Hörbuch Hamburg)
ungekürzt, gelesen von Richard Barenberg

In Cape Haven, einer Kleinstadt in Kalifornien, ist die dreizehnjährige Duchess darum bemüht ihre Familie zusammenzuhalten. Sie ist nicht nur Elternersatz für ihren kleinen Bruder, sondern kümmert sich auch um ihre Mutter Star, die mit Depressionen kämpft. Vor 30 Jahren starb die kleine Schwester von Star. Als nun Vincent King, der Mann, der für ihren Tod verantwortlich war, aus der Haft entlassen wird, überstürzen sich die Ereignisse.

Da „Von hier bis zum Anfang“ häufig mit „Der Gesang der Flusskrebse“ verglichen wird, das mich ziemlich enttäuscht hat, wollte ich den Roman von Chris Whitaker zunächst nicht lesen. Ich bin sehr froh, dass ich nun doch zu dem Hörbuch gegriffen habe, da mir die Geschichte sehr gut gefallen hat.

Schon zu Beginn lässt sich erahnen, dass es sich hier nicht um ein Wohlfühlbuch handeln wird. Duchess und ihr Bruder wachsen in tristen, nahezu hoffnungslosen Verhältnissen auf. Zwar kümmert sich Chief Walk, einst bester Freund von Star und Vincent, um die Kinder, soweit es ihm möglich ist, aber auch er kann nicht verhindern, dass sich die Ereignisse zuspitzen und schließlich in einer Tragödie gipfeln. Um nicht zu spoilern, werde ich diese Tragödie nicht genauer beschreiben, nur soviel: Es geschieht ein Verbrechen und im weiteren Verlauf der Handlung geht es nicht nur darum, wie die Hauptfiguren damit umgehen, sondern auch um die Aufklärung desselben. Es handelt sich bei dem Roman also um eine Mischung aus Drama und Krimi, wobei die Figuren und ihre Schicksale klar im Mittelpunkt stehen.

Die Stimmung in dem Buch ist großteils sehr bedrückend und ich habe im Verlauf der Handlung mehrere Male nahezu getrauert – um Figuren, um vertane Chancen, um zerstörte Existenzen. Es kommt immer wieder zu falschen Entscheidungen, die fatale Auswirkungen haben. Vor allem Duchess neigt dazu mit ihren Handlungen ihre Situation nur noch zu verschlimmern. Sie stößt selbst Menschen, die es gut mit ihr meinen, von sich und trägt eine Wut in sich, die ihr oft selbst im Weg steht. Das hat mich einerseits beim Lesen aufgerieben – ich hätte mir immer wieder gewünscht, dass Duchess anders handelt. Andererseits fand ich es sehr realistisch und gut nachvollziehbar, dass eine Dreizehnjährige, die so oft enttäuscht wurde und viel zu viel Verantwortung auf ihren Schultern trägt, sich so verhält.

Dazwischen gibt es aber auch Momente der Hoffnung, Menschen, die einander helfen und Freundschaften, die sehr warmherzig geschildert werden. Obwohl also der Roman insgesamt traurig ist, hält er doch eine gute Balance, um nicht zu deprimierend zu sein. Und es spricht auch für die Charakterzeichnung, dass ich so sehr mit den Figuren mitgefiebert und mitgelitten habe. Ich kann es aber auch verstehen, wenn das Buch manche als zu trostlos empfinden.

Die Krimihandlung wäre für die Spannung gar nicht einmal nötig, da mich auch die Figuren und ihre Beziehungen zueinander genug gefesselt hätten, aber sie rundet den Roman dennoch schön ab. Einen richtigen Krimi sollte man aber nicht erwarten, dafür stehen die Ermittlungen nicht genug im Mittelpunkt. Mir war auch schnell klar, wie die Auflösung aussehen würde, aber der Weg dorthin war trotzdem spannend und die ganzen Zusammenhänge werden auch erst am Ende tatsächlich klar.

Fazit: Ein fesselnder, emotionaler und schonungsloser Roman mit tollen Figuren. Eines der besten Bücher, das ich in den letzten Jahren gelesen habe.

2 thoughts on “Chris Whitaker – Von hier bis zum Anfang

  1. Ich finde mich in deiner Rezension voll wieder, denn ich hab in meiner Rezension damals ähnliche Dinge geschrieben und genauso empfunden. Ich finde, das Buch hinterlässt Eindruck, obwohl man das anfangs vielleicht gar nicht so erwartet hätte, und schwirrt einem noch lange im Kopf herum.

    1. Jetzt ist mir auch wieder eingefallen, dass deine Rezension mich damals darin bestärkt hat das Buch auf meine Liste zu setzen. Unglaublich, dass das schon wieder über ein Jahr her ist.

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