erschienen bei Hörbuch Hamburg (die ungekürzte Lesung gibt es nur über Audible!)
ungekürzte Lesung von Luise Helm
1952 verlässt Kyas Mutter ihre Familie, weil sie das Leben mit dem gewalttätigen Ehemann nicht mehr aushält. Daraufhin verlassen nach und nach auch die Geschwister das kleine Haus im Marschland, bis nur noch die siebenjährige Kya zurückbleibt. Da ihr Vater seinen Kummer in Alkohol ertränkt, muss Kya schnell lernen für sich selbst zu sorgen. Zuflucht und Halt bieten ihr die Vögel, die rund um sie in den Salzwiesen, Buchten und Schilfgürteln leben. Allmählich baut sie sich hier ihr ganz eigenes Leben auf, bis 1969 ein Mann tot im Sumpf gefunden wird – und die Spuren zu Kya führen.
„Der Gesang der Flusskrebse“ wurde von Rezensenten und Lesern begeistert aufgenommen und klang nach einer interessanten Mischung aus Coming-of-Age-Geschichte, Krimi und Gesellschaftsroman. Auch mir hat der Debütroman der Zoologin Delia Owens zu Beginn sehr gut gefallen. Sie beschreibt sehr eindringlich, was es für die kleine Kya bedeutet auf sich alleine gestellt zu sein und wie sie lernt ihren Alltag zu meistern. Die Armut, in der die Familie lebt, wird ebenso greifbar wie Kyas schlechten Erfahrungen in der örtlichen Schule. Als das „Marschmädchen“ wird sie misstrauisch beäugt, verspottet und von manchen wie Ungeziefer betrachtet. Es ist nicht verwunderlich, dass Kya bald die Stadt und deren Bewohner meidet und die Marsch zu ihrem Anker und ihrer Zuflucht wird. Delia Owens beschreibt das Marschland von North Dakota und seine Tierwelt so bildreich, dass diese Landschaft fast zu einem eigenen Protagonisten wird.
Die Nebenfiguren wie etwa ein schwarzes Ehepaar, das ihr hilft, sowie Tate, ein Freund ihres Bruders, bleiben da vergleichsweise blass und wirken mitunter auch etwas klischeehaft. Da ich Kya als Figur so interessant fand und ihre Entwicklung faszinierend zu lesen fand, hat mich das aber zunächst nicht gestört. Und es hat mir anfangs auch sehr gut gefallen, wie Kya erwachsen wird und auf ihre ganz eigene Weise ihr Leben zu meistern lernt.
Dann aber wurde der Roman immer überzogener und unrealistischer. Kya wächst nicht nur zu einer Art „wilden Schönheit“ heran, der die Männer verfallen, sondern sie lernt mit Tates Hilfe auch in Windeseile lesen, schreiben und ist bald imstande, wissenschaftliche Texte zu verstehen. Nicht nur das – sie, die nur einen einzigen Tag in der Schule war und von Tates „Unterricht“ abgesehen keinerlei Bildung genossen hat, beginnt Fachbücher über die Flora und Fauna der Marsch zu verfassen. Diese bringt sie nicht nur erfolgreich bei einem Verlag unter, sondern natürlich verkaufen diese sich auch toll und sie erhält ein stattliches Honorar. An diesem Punkt hat mich der Roman schon ziemlich genervt, aber noch schlimmer fand ich dann die Kriminalgeschichte, die sich parallel dazu entwickelt. Ich will jetzt keine Details dazu verraten, aber auf jeden Fall entwickelt sich das Buch zu einem Gerichtsdrama, das kein Klischee auslässt. Die völlig unnötigen Wendungen, die einem am Ende in einem Epilog noch schnell hingeschmissen werden, haben mich dann nur noch den Kopf schütteln lassen.
Ich konnte schon öfter mit hochgejubelten Büchern nichts anfangen, aber dass mir ein Roman zu Beginn gut gefallen hat, während ich am Ende nur noch das Bedürfnis hatte, möglichst alle potenziellen Leser davor zu warnen, ist mir bisher erst selten passiert. Delia Owens kann wirklich schön schreiben und auch die Lesung von Luise Helm ist sehr angenehm, aber das ändert nichts daran, dass mich dieser Roman zutiefst enttäuscht hat. Es ist noch nicht mal so sehr die unrealistische Handlung das Problem – das Problem ist vor allem, dass Aufmachung, Vermarktung und auch die erste Hälfte des Romans etwas ganz anderes verkaufen als jenes kitschtriefende Machwerk, das man zum Ende hin bekommt.
Und das wirklich traurige ist, dass ich das Buch aufgrund der wundervollen Beschreibungen und des lesenwerten Anfangs sehr gern weiter empfehlen würde, aber so wie es sich im weiteren Verlauf entwickelt, kann ich persönlich nur von der Lektüre abraten bzw. sollte man zumindest wissen, worauf man sich einlässt.
Nach Lesen deiner Rezension bin ich wirklich froh, dass ich dem Roman nach dem ersten Anlesen keine Chance gegeben, sondern meine Zeit mit einem anderen Buch verbracht habe. Oo
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Buch was für dich gewesen wäre. Also sicher besser, dass du dann zu einem anderen gegriffen hast!
Übrigens soll der Roman verfilmt werden und er vereint auch tatsächlich so einige Hollywood-Klischees in sich, also denke ich mir, dass der Film wohl ähnlich begeistert aufgenommen werden wird …
Ich habe ja grundsätzlich nichts gegen Kitsch, aber es muss halt passen – und hier scheint es ja doch einige Brüche zwischen den verschiedenen Handlungselementen und Anfang und Ende des Buches zu geben.
Schade. Ich muss zugeben, dass ich es auch schon ein paarmal bei Audible reingehört habe, mich hat aber eher immer die Stimme abgeschreckt.
Mal sehen, vielleicht guck ich mal, ob ich es in der Bücherei finde – irgendwie bin ich trotzdem neugierig. 😉
Mir persönlich hat die Stimme von Luise Helm eigentlich sehr gut gefallen.
Ich hoffe, dass du es in der Bücherei ergattern kannst. Das Buch kommt ja sonst sehr gut an bei den meisten LeserInnen – also wer weiß, vielleicht hast du durchaus deine Freude damit!
Ich schreibe eigentlich hier keine Rezensionen zu Büchern, aber: Es hat mich nicht nur gefesselt, es gehörte seit langem mal wieder, zu den für mich sehr seltenen Büchern, bei denen ich extra langsam lese weil ich immer wieder auf so wunderschöne Sätze stoße über die ich nachdenken und die ich noch ein 2. oder 3. Mal lesen muss. Und ich las es langsam, damit ich nichts verpasse und der Genuss länger anhält. Sonst gehöre ich eher zur Spezies „Bücherverschlinger“.
Für mich eines der besten Bücher die ich seit längerem gelesen habe, ich zehre immer noch davon und denke darüber nach.