Gegenwartsliteratur Rezensionen

Philipp Weiss – Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen

erschienen bei Suhrkamp

 

„Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen“ ist ein Roman, der aus fünf Einzelbänden in einem gemeinsamen Schuber besteht. Es handelt sich dabei um den Debütroman von Philipp Weiss, einen österreichischen Schriftsteller, der vorher vor allem Theaterstücke und Erzählungen geschrieben hat.

Ich habe dieses ungewöhnliche Werk schon vor ein paar Monaten gelesen, wusste aber die ganze Zeit nicht so recht, wie ich es rezensieren soll, da es so schwer zu beschreiben ist. Denn die einzelnen Bände sind zwar miteinander verbunden, können aber alle unabhängig voneinander gelesen werden und sind auch in der Form ganz unterschiedlich. Sie tragen auch unterschiedliche (fiktive) Verfasser – Philipp Weiss erschafft hier also eine ganze eigene Art von Geschichten in der Geschichte. Ich möchte euch zunächst die einzelnen Bände kurz vorstellen:

  • „Enzyklopädien eines Ichs“ von Paulette Blanchard erzählt in Form einer Enzyklopädie die Geschichte der 17jährigen Paulette, Tochter aus reichem Haus, die sich gegen ihre Herkunft und Familie auflehnt. Sie wird 1871 in den Aufstand der Pariser Kommune verstrickt, bereist später die Weltausstellung in Wien und landet schließlich im Japan der Meiji-Ära.
  • Ihre Ururenkelin Chantal Blanchard, eine Klimaforscherin, folgt in „Cahiers“ Paulettes Spuren. Gleichzeitig sinniert sie in diesem Band, der wie ein Notizbuch aufgebaut ist, einerseits über die Geschichte des Universums und die Entstehung der Menschheit, andererseits auch über ihre Liebe zu dem Künstler Jona.
  • Dieser Jona reist ihr in „Terrain vague“, jenem Band, der am ehesten einer klassischen Erzählung entspricht, hinterher und wird in Japan in die Katastrophe rund um Fukushima verstrickt.
  • Von Fukushima berichten auch „Akios Aufzeichnungen“, in denen der neunjährige Akio in sein Smartphone spricht, während er das Chaos und die Zerstörungen nach Fukushima miterlebt. Dieser Band stellt also eine Art Audiotranskription von Akios Bericht dar.
  • „Die glückseligen Inseln“ von Abra Aoki ist schließlich ein verstörender Manga mit albtraumhaften Szenen, bei denen nie ganz klar wird, was Fantasie, Traum und was dystopische Wirklichkeit ist. Dieser Mange ist über die Künstlerin Abra mit „Terrain vague“ verknüpft, da Jona darin Abra begegnet.

Um ehrlich zu sein, habe ich „Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen“ mühsam zu lesen gefunden. Wenn man die Rezensionen dazu liest, dann überschlagen sich die meisten vor Begeisterung und schreiben von einem Menschheitsroman, davon, dass der Autor darin die Komplexität unserer Welt erzählbar mache und die großen Fragen unserer Zeit stelle. Und das mag alles stimmen, aber ich persönlich habe mir manchmal schwer getan, das große Ganze zu sehen, da ich über verschieden Aspekte in den Einzelbänden gestolpert bin. So habe ich Paulettes Art zu schreiben und auch ihren Blick auf die Welt als fürchterlich gekünstelt empfunden. Dafür, dass sie sich selbst ständig dafür rühmt einen so scharfen Geist zu haben, kamen mir ihre zu Papier gebrachten Gedanken viel zu chaotisch und schwärmerisch vor. Vielleicht war das so beabsichtigt, zumal Chantal später ebenfalls von den Ergüssen ihrer Vorfahrin genervt ist. Allerdings wollte ich auch Chantal die Perspektive der Forscherin nicht recht abkaufen und fand ihre Collage aus Evolutionstheorie, philosophischen Gedanken, Klimaforschung und eigenem Liebesleiden ebenfalls sehr gekünstelt.

Trotzdem haben mich diese beiden umfangreichsten Bände besonders aufgrund ihrer ungewöhnlichen Form fasziniert und ich war so neugierig auf die weiteren Zusammenhänge, dass ich auch die weiteren Bände lesen wollte. Diese habe ich als deutlich zugänglicher empfunden, selbst den Manga mit seinen verstörenden und rätselhaften Bildern.

Alles in allem kann ich die Lobeshymnen nicht ganz nachvollziehen, aber das mag auch daran liegen, dass es mir nicht gelungen ist, mich gänzlich auf diesen Roman einzulassen. Ich habe zwar das Spiel mit der Form und die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Bänden sehr spannend gefunden, aber ein Lesefreude in dem Sinn war das – zumindest über weite Strecken – nicht für mich.

Es ist auf jeden Fall ein interessantes, literarisches Experiment, das offensichtlich für viele gut funktioniert hat, mich persönlich aber nicht ganz erreichen konnte.

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