Mystery Rezensionen

Erika Ferencik – Ein Lied vom Ende der Welt

erschienen bei Goldmann
Taschenbuchausgabe unter dem Titel „Das Mädchen aus dem Eis“

Die Linguistin Valerie ist noch dabei den Tod ihres Bruders zu verarbeiten, als sie einen Anruf von dessen Forschungskollegen bekommt: Wyatt hat in der Arktis ein Mädchen gefunden, das eine unbekannte Sprache spricht. Die Aufnahmen der Sprache und die Fundumstände faszinieren Valerie und so macht sie sich auf in die Arktis, um dort das Rätsel zu lösen.

Sobald mir die Polargebiete als Handlungsort unterkommen, ist mein Interesse geweckt, und da mich bei diesem Roman auch Titel und Inhaltsgabe ansprachen, wanderte das Buch schnell auf meine Leseliste. Der Anfang gefiel mir auch sehr gut: Valerie hat mit Angststörungen zu kämpfen und alle Veränderungen sind für sie eine große Überwindung. Die Reise in die Arktis zusammen mit zwei Polarmeerforschern bringt sie also denkbar weit aus ihrer Komfortzone und ich war gespannt, wie sie im weiteren Verlauf mit dem Leben in der Arktis zurechtkommen würde. Auch die Ankunft in der Arktis und die erste Begegnung mit Najaa, dem Mädchen aus dem Eis, fand ich überzeugend beschrieben. Allerdings setzte zu dem Zeitpunkt bei mir auch eine gewisse Skepsis ein: Es deutete sich ein magisches bzw. Science Fiction-Element an, bei dem ich nicht wusste, was ich davon halten sollte.

Leider bestätigte sich diese Skepsis im Laufe der weiteren Handlung gleich in vielerlei Hinsicht. Einige meiner Kritikpunkte lassen sich unter „mangelnde Recherche“ zusammenfassen. Valerie verhält sich zu keinem Zeitpunkt wie eine Wissenschaftlerin; sie geht planlos und konfus an die Kommunikation mit Najaa heran und macht entsprechend lange kaum Fortschritte. Dabei hat der Film „Arrival“ gezeigt, wie spannend und überzeugend das systematische Decodieren einer Sprache dargestellt werden kann. Aber davon ist in „Ein Lied am Ende der Welt“ leider nichts zu finden. Und auch eine ganze Reihe von weiteren Aspekten wirkt sehr undurchdacht und schlecht recherchiert. Die arktische Landschaft und der Alltag in der Forschungsstation werden zwar überzeugend beschrieben, aber dass Wyatt gänzlich eigenmächtig dort vor sich hinexperimentiert und alle beteiligten Personen einverstanden sind, die Existenz von Najaa geheimzuhalten (selbst als Najaas Leben dabei in Gefahr gerät), ist kaum nachzuvollziehen.

Najaas Hintergrundgeschichte geht schließlich ins Phantastische bzw. in die wissenschaftlich-technische Spekulation, was per se kein Problem wäre, wenn es denn überzeugend umgesetzt wäre. Aber auch hier scheint Erika Ferencik sich nicht mit Recherche aufgehalten zu haben, denn Konzepte, die eigentlich spannend und glaubwürdig sein könnten, vermischen sich mit völlig absurden Elementen, die in einem wirren Actionspektakel gipfeln.

Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass Valeries Charakterentwicklung dabei gänzlich auf der Strecke bleibt. Ihre Angststörungen spielen nur noch insofern eine Rolle, da der Verlust ihrer Medikamente sie kurzfristig aus der Bahn wirft. Hier wurde meiner Meinung nach viel Potenzial verschenkt – aus Valerie hätte man soviel herausholen können!

Wenn ich mir andere Rezensionen durchlese, so kommt das Buch insgesamt nicht schlecht an, aber für mich persönlich war das ein Reinfall. Ab einem bestimmten Zeitpunkt habe ich nur noch weitergelesen, weil ich wissen wollte, wie die Autorin am Ende noch das Ruder rumreißen möchte – stattdessen wirft sie einfach nur jegliche Logik über Bord. Schade um einige sehr schöne Ideen, die in dem Roman stecken.

4 thoughts on “Erika Ferencik – Ein Lied vom Ende der Welt

  1. Oh, schade – ich dachte gerade bein Titel, beim Cover und der Inhaltsangabe auch, dass das nach einem interessanten Buch klingt – aber solche Logikbrüche stören mich dann auch. Gut, abgesehen davon, dass ich mit plötzlichen Einbrüchen von phantastischen oder ScFi-Elementen gar nicht leben kann. Ich mag beides, aber dann möchte ich das von Anfang an wissen, dass ich das lese, sonst reißt es mich einfach völlig aus meinem „Suspension of disbelief“ raus.

    1. Ja, sehr schade. Das SciFi-Element deutete sich zwar früh an, aber zu dem Zeitpunkt hätte eine natürliche Erklärung noch genau so sein können – zumal Aufmachung, Titel und Verlagsbeschreibung so gar nicht auf etwas phantastisches hinweisen. Daher hat es für mich auch gar nicht funktioniert, schon gar nicht mit so vielen unlogischen Wendungen.

  2. Das klingt nach einer frustrierenden Lektüre! Ich finde es immer schrecklich enttäuschend, wenn eine Geschichte so viel Potenzial mit sich bringt und dann mangelnde Recherche(lust) dazu führen, dass all die faszinierenden Möglichkeiten so über Bord geworfen werden.

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