Rezensionen Sachbuch

Damien Rudd – Atlas der melancholischen Orte

erschienen bei Merian

In diesem Buch stellt Damien Rudd eine Reihe von Orten nach einem ungewöhnlichen Auswahlkriterium zusammen: Alle Namen wie etwa Mount Hopeless, Lonelyville oder Elend sind von Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit oder Düsternis geprägt. Ausgehend von den Namen untersucht Damien Rudd deren Geschichte und Etymologie und verbindet dabei Mythen, Legenden und Tatsachen.

Seit ich „Atlas der abgelegenen Inseln“ von Judith Schalansky mit Begeisterung gelesen habe, greife ich immer wieder zu Büchern, die nach einem ähnlichen Prinzip aufgebaut sind. Manche davon haben mir gut gefallen, manche aber auch sehr enttäuscht. Gerade in letzter Zeit hatte ich da kein glückliches Händchen mehr (oder das Konzept hat sich inzwischen doch für mich abgenutzt), daher habe ich nun etliche vergleichbare Bücher von meiner Leseliste gestrichen. Das Buch von Damien Rudd ist eines der wenigen, das noch auf meiner Liste blieb und bei meinem letzten Büchereibesuch endlich mit nach Hause kam.

Ich habe ein gewisses Faible für Orte mit düsterer, schauriger oder skurriler Geschichte und so war ich sehr gespannt auf die Auswahl in diesem Buch. Der Autor hat sich dabei allerdings wirklich ganz auf die Namen konzentriert und nicht unbedingt darauf, ob dahinter überhaupt eine interessante Geschichte steckt. Teilweise ist nicht klar, wie die Namensgebung überhaupt zustande kam und manches Mal geht es gar nicht wirklich um die Orte, sondern um philosophische Konzepte hinter den Namen, wie etwa Vorstellungen von der Apokalypse (ausgehend von den Apocalypse Peaks). Das ist zwar einerseits interessant, erweckte in mir aber manchmal auch ein bisschen den Eindruck von Beliebigkeit. Sehr viel spannender fand ich es, wenn Rudd wirklich am Ort dranblieb und ich mehr über dessen Hintergrundgeschichte erfuhr. So erzählt er etwa die tragische Vergangenheit von Cape Grim in Tasmanien, wo ein Massaker an 30 Ureinwohnern von Mitarbeitern der Van Diemen’s Land Company verübt wurde oder beschreibt, wie Doom Town in Nevada als typische amerikanische Vorstadt aufgebaut wurde, nur um dort Atombombentests durchzuführen und in Propagandafilmen auch der Öffentlichkeit die verheerende Kraft der Bomben zu zeigen.

Rein optisch ist das Buch ein echter Hingucker. Es enthält handgezeichnete Karten von Kateryna Didyk sowie einige Fotos und Illustrationen. Für meinen Geschmack hätten es manchmal noch etwas mehr Grafiken sein können, aber die Gestaltung ist auf jeden Fall sehr gelungen.

Anders als etwa Dirk Liesemers „Lexikon der Phantominseln“, das sich sehr auf Informationen und Fakten konzentriert, regt „Atlas der melancholischen Orte“ eher zum Nachdenken über Sprache und deren Bedeutung sowie über die emotionale Kraft von Orten an. Ein interessantes, teilweise auch kurioses Buch, das sich nur manchmal meiner Meinung nach etwas zu sehr in der Betrachtung von einzelnen Begriffen/Konzepten verliert. Für mich hätte es besser funktioniert, wenn es mehr um die Orte und den Grund für deren Namensgebung gegangen wäre.

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