Gegenwartsliteratur Jugendbuch Krimi/Thriller Rezensionen

[Kurzrezensionen] Von Namibia, Grönland und Seuchen rund um die Welt

Marina Boos – Die Nacht der Geparden

Die sechzehnjährige Mia möchte die Ferien bei ihrem Bruder verbringen, der in Namibia auf einer Öko-Farm arbeitet. Als er auf dem Flughafen nicht auftaucht, kann Mia auf einer benachbarten Jagdfarm unterkommen, wo vor kurzem ein Mord verübt wurde – und Mias Bruder scheint als der Hauptverdächtige zu gelten.
„Die Nacht der Geparden“ ist ein spannender Jugendthriller vor der exotischen Kulisse von Namibia. Es wird anschaulich geschildert, wie Mia – trotz der unangenehmen Situation, in der sie sich dort befindet – von dem Land überwältigt ist. Ihre Eindrücke hält sie auch in einem Tagebuch fest, von dem immer wieder Auszüge dazwischen gestreut werden. Dadurch hat man das Gefühl, ihr als Figur sehr nahe zu sein und sie war mir schnell sympathisch. Auch die Nebenfiguren sind großteils gut gelungen, auch wenn die eine oder andere ein wenig klischeehafte Züge aufweist.
Der Kriminalfall schafft eine latent bedrohliche Atmosphäre und hält bis zum Schluss die Spannung, auch wenn man als erfahrene (Krimi-)Leserin mit keinen allzu großen Überraschungen rechnen sollte.
Neben Mias Nachforschungen rund um den Mord kommen auch Romantik und die Beschäftigung mit kritischen Themen wie etwa dem Jagdtourismus nicht zu kurz.
Ein lesenswerter Roman, bei dem ich nur den etwas diffusen Kritikpunkt habe, dass ich manche Dialoge als etwas seltsam empfunden habe – als würden die Figuren teilweise etwas zusammenhanglos zwischen Themen springen oder sich über Nebensächlichkeiten unterhalten, während es viel wichtigeres zu klären gäbe. Das ändert aber nichts daran, dass sich der Roman insgesamt sehr flüssig liest.
4 von 5 Sternchen



Cornelia Franz – Ins Nordlicht blicken

Jonathan Querido macht sich von Deutschland auf in seine alte Heimat Grönland, wo er eine dunkle Vergangenheit hinter sich gelassen hat. Nun versucht er, sich dem zu stellen, was vor neun Jahren hier geschehen ist – mit seinem Vater, seinen Freunden und dem Kreuzfahrtschiff MS Alaska.
Das Bild, das Cornelia Franz hier von Grönland zeichnet ist ernüchternd und deprimierend: Die meisten sehen nur wenig Zukunft hier, würden eigentlich gern weg und schaffen es doch nicht. Auch Jonathan, der den Ausbruch aus dem Leben dort geschafft hat, kann Grönland und seine Vergangenheit doch nicht abschütteln.
Was genau damals geschehen ist, darüber möchte ich hier nichts verraten, da diese Frage einen großen Reiz des Romans ausmacht. Obwohl man einiges bereits früh ahnt, werden einem sämtliche Zusammenhänge doch erst spät klar und die Autorin hat hier wirklich eine interessante (und tragische) Geschichte mit überzeugenden Figuren konstruiert.
Es fällt mir schwer zu beschreiben, weshalb mich der Roman dennoch nicht ganz überzeugen konnte. Einerseits hatte ich das Gefühl, dass die Autorin nicht alle Fäden zufriedenstellend auflöst: Sie führt einige Themen und Figuren ein, die dann mehr oder weniger ins Nichts verschwinden. Manches aus Jonathans Vergangenheit kam mir auch zu konstruiert und etwas überdramatisch vor.
Schließlich war mir auch nicht ganz klar, weshalb Cornelia Franz die Geschichte in der Zukunft angesiedelt hat (die Jetztebene im Jahr 2020 und die Vergangenheit quasi in der Gegenwart), da ich dafür keinen Grund erkennen konnte.
Alles in allem ein solider Roman mit einem etwas anderen Hintergund, der mich aber nicht wirklich begeistern konnte.
3,5 von 5 Sternchen



Wolf Haas – Verteidigung der Missionarsstellung

Wolf Haas hatte schon immer einen eigenwilligen Stil, aber dieser Roman ist selbst für seine Verhältnisse seltsam. Vordergründig erzählt er darin die Geschichte von Benjamin Lee Baumgartner, der sich offensichtlich immer dann verliebt, wenn gerade eine Seuche grassiert (zuerst der Rinderwahn, dann die Vogelgrippe und schließlich die Schweinegrippe).
Tatsächlich geht es aber in dem Roman um ein Spiel mit den Lesern und dem Schreiben an sich: Da gibt es typografische Besonderheiten, die den Inhalt unterstreichen sollen und mal mehr, mal weniger gelungen sind. Kommentare des „Autors“, was bei der Überarbeitung noch gekürzt, gestrichen oder ausgeschmückt werden muss. So etwas ist bestimmt nicht jedermanns Sache – ich fand es aber ziemlich witzig. Und schließlich vermischen sich hier die fiktive und die reale Ebene, wenn hier in einer Geschichte eine Geschichte erzählt wird, deren Entstehung man auch quasi noch mitverfolgt … Klingt verwirrend? Ja, ein wenig.
Letztendlich ist „Verteidigung der Missionarsstellung“ ein amüsantes Experiment, das die Wände zwischen Autor, Erzählstimme, Figuren und Lesern noch mehr niederreißt als es „Das Wetter vor 15 Jahren“ schon getan hat. Ich mochte es, habe von Haas aber schon besseres gelesen.
4 von 5 Sternchen

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