Schreibgeplauder

Auf der Suche nach der Muse: Gabran

Hier kommt nun Gabran, der jüngere Bruder von Herun. Leider schreibt er sich nicht ganz so gut wie seine Schwester.

Gabran

Gabran ist 25 Jahre alt, hat dunkle wuschlige Haare und graugrüne Augen wie Herun. Er ist Dichter am königlichen Theater, was in der dort üblichen Theaterpraxis bedeutet, dass er zugleich als „Regisseur“ mit den Darstellern die Stücke probt.
Vom Charakter her ist Gabran ganz anders als Herun. Er ist ein Träumer und ein Idealist, ein zutiefst unsicherer Mensch und dazu ziemlich wechselhaft. Seine Stimmungen wechseln quasi von himmelhochjauchzend zu zu Tode betrübt. Und ganz ähnlich ist es auch mit dem Schreiben: Manchmal arbeitet er nächtelang wie besessen an einem Stück, dann wieder schreibt er gar nicht und fühlt sich völlig nutzlos. Zu Beginn des Romans befindet sich Gabran gerade in so einem Tief, in dem er keine Ahnung hat, was er schreiben soll. Er schreibt für das Theater vor allem Liebestragödien und derzeit fehlt es ihm an Inspiration. Was er dringend braucht, ist also eine Muse.

Auch im wirklichen Leben träumt Gabran von der großen Liebe. Wenn er verliebt ist, dann macht er seine Angebetete (anders kann man das bei ihm wirklich nicht bezeichnen) zum Mittelpunkt seines Lebens. Er neigt dazu, sich schnell ein fixes (sehr idealisiertes) Bild von einer Frau zu machen und an dem festzuhalten. Fehlern gegenüber ist er also erst einmal blind.
Man sollte allerdings nicht den Fehler machen und Gabrans Naivität und seine verträumte Art für Dummheit zu halten. Das Problem ist, dass er manches nicht sehen will und nicht, dass er es nicht sehen kann.

Als Dichter ist Gabran sehr talentiert – wenn er schreibt, dann schreibt er wirklich gut. Er schafft es normalerweise, eine Balance zu finden zwischen dem, was das Publikum erwartet und neuen, innovativen Ideen für das Theater. Ein paar von seinen bisherigen Stücken werden inzwischen auch an zahlreichen anderen Theatern gespielt, was angesichts seines jungen Alters recht bemerkenswert ist.

Aus schreiberischer Sicht finde ich Gabran zeitweise recht anstrengend. Seine Stimmungsschwankungen sind da weniger das Problem als seine oft negative Einstellung und seine Verbohrtheit, wenn man es so bezeichnen möchte. Er begreift nicht, dass er nicht einfach von sich selbst auf andere schließen kann.
Da er selbst recht hohe moralische Ansprüche und Vorstellungen von der einen wahren Liebe hat, ist ihm das Verhältnis zwischen seiner Schwester und dem Händler Maldwin ein Dorn im Auge. Dass Herun vielleicht ganz andere Vorstellungen als er hat und Maldwin außerdem durchaus imstande ist, seine Schwester glücklich zu machen, versteht er nicht. Diese ganze Sache treibt auch einen ziemlichen Keil zwischen die beiden Geschwister, die sich sonst eigentlich sehr nahe stehen.

Die folgende Szene ist vom Anfang des Romans und zeigt Gabran an einem seiner absoluten Tiefpunkte. Dazwischen habe ich ein Stück rausgenommen, weil das sonst recht lang geworden wäre.

Ein Klecks Tinte auf dem sonst leeren Blatt Papyrus. Der Klecks formte ein Gesicht, das Gabran ansah. Ihn verhöhnte.
Um ihn herum brach die Dämmerung herein. Gabran rieb sich die müden Augen und überlegte, ob er sich den Luxus gönnen sollte, eine Öllampe zu entzünden. Vermutlich wäre es eine Verschwendung. Wozu überhaupt Licht, wenn es ohnehin nur den Tintenklecks ausleuchten würde, der ihn weiterhin verspottete? Dennoch stand er auf und verließ mit der Lampe seine Kammer. Auf dem Gang hatte der Hausdiener wie erwartet bereits die Kerzen in den Halterungen entzündet. Als er mit der brennenden Öllampe in seine Kammer zurückkehrte, schien im flackernden Licht das Gesicht auch noch zu lachen.

Versager. Du wirst wieder kein Wort schreiben. Und du willst dich Dichter nennen?
Gabran ließ den Kopf in seine Hände sinken. Die Stimme hatte recht. Er würde an diesem Abend erneut schlafen gehen, ohne dem Tintenklecks Wörter hinzugefügt zu haben. So wie all die Tage zuvor ebenfalls.
Er rollte den Papyrus zusammen und verdeckte so den Tintenklecks. Wieder ein Abend der Leere. Er hatte nichts geschrieben, und auch sonst gab es nichts, das sein Leben erfüllte. Tagsüber probte Gabran mit den Schauspielern Stücke, in denen sich Männer und Frauen fanden und miteinander glücklich wurden. Oft war es nur für eine kurze Zeit, ehe das Schicksal sie wieder auseinanderriss, meistens durch den Tod. Aber immerhin hatten sie dann vor ihrem Tod geliebt und gelebt. Das was er hatte, das war kein Leben. Das war nur Leere und Kälte und Einsamkeit. Manchmal fingen ihn die Worte auf und verliehen seinem traurigen Dasein einen Sinn. Doch zur Zeit hatte er auch die Worte nicht.

4 thoughts on “Auf der Suche nach der Muse: Gabran

  1. Oje… habs ja im WB-Forum schon geschrieben, er ist schon ein Depp… vielleicht kann ihm ja eine resolute Frau den Kopf zurechtrücken, und ihn auf den Boden der Realität holen?

    Sehr glaubwürdig und realitätsnah geschildert (ich kenne selbst Leute, die so sind), und das Bild ist wieder sehr gut gelungen!

  2. *lol* Die Worte "er ist schon ein Depp" bringen es ziemlich auf den Punkt. Und seine Schwester müht sich redlich ab, um ihn auf den Boden der Tatsachen zu holen, aber so wirklich erfolgreich ist sie da auch nicht.

    Danke, Antigone! 🙂

  3. Liebe Neyasha,

    Endlich kann ich dir zu deinem Gabran was schreiben. Ich konnte einfach keine Kommentare mehr hinterlassen, doch nun scheint alles wieder zu funktionieren *freu*
    Also die Zeichnung finde ich ganz, ganz toll! Grosses Lob an dich! Ich musste gleich zweimal hinkucken, denn er gleicht einem Bekannten von mir *g*
    Und wie kommst du voran mit ihm? Nervt er dich immer noch oder hast du ihn unterdessen "im Griff"?

    Ich wünsche dir einen guten Start in die neue Woche,
    herzlichst,
    mirjam

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