Genre: Historischer Roman
Seiten: 368
Verlag: Piper
ISBN: 978-3492272087
Meine Bewertung: 4 von 5 Sternchen
Goethe und Kleist sind wieder in einer aberwitzigen Mission unterwegs. Gemeinsam mit Ludwig Tieck, August Wilhelm Schlegel und Madame de Staël versuchen sie, die Reichskrone quer durch französisch besetzte Gebiete nach Preußen zu bringen. Als Tarnung dient ihnen ein Theaterwagen, und so ziehen sie als Wandertheatertruppe durch die Lande und geben unterwegs Vorstellungen von Hamlet – wobei sie manches Mal sehr kreativ mit der Handlung umgehen …
Vom Vorgänger-Roman Das Erlkönig-Manöver war ich ja ganz begeistert und auch dieser Roman hat mir jetzt wieder sehr gut gefallen, wenn ich auch diesmal etwas mehr zu benörgeln habe.
Ganz nüchtern betrachtet ist „Das Hamlet-Komplott“ eigentlich der gelungenere Roman: Die Handlung ist zielstrebiger, weniger zerfasert in der Mitte und die Spannung wird fast durchgehend gehalten. Dennoch hat mir der Vorgänger besser gefallen.
Das Problem ist einerseits, dass sich hier einige Strukturen wiederholen und andererseits, dass mir die Figuren fast durchwegs beim Erlkönig-Manöver mehr zugesagt haben.
Natürlich macht es wieder Spaß, diese ehrwürdigen Literaten auf ihrem Roadtrip zu begleiten, aber was ich vorher schon befürchtet habe, ist eingetreten: Schiller fehlt einfach enorm. Nicht nur, weil er meiner Meinung nach der sympathischste der ganzen Truppe war, sondern auch, weil er derjenige war, der die unterschiedlichen Personen zusammengehalten hat. Hier nun fehlt eine solche Figur, die für einen derartigen Zusammenhalt sorgt und vor allem fehlt Schiller auch als der innige Freund von Goethe. Ohne ihn kam Goethe mir nun noch unnahbarer und zugleich auch deutlich … hm … „schwächer“ vor. Es fehlen einfach die spritzigen Dialoge mit Schiller, so wie es in diesem Band allgemein ein wenig an den herrlichen Dialogen des Vorgängers mangelt.
Das liegt zum Teil sicher an den Figuren. Madame de Staël kam mir am Anfang deutlich interessanter vor als dann im Laufe des Romans, die Schauspielerin Leonore bleibt gänzlich blass und auch Tieck und Schlegel können bis auf ein paar markante Wesenszüge nur wenig Charakter zeigen.
Am interessantesten ist hier sicher Kleist, aber seine Entwicklung machte es mir zwischendurch schwer, ihm als Leserin zu folgen. In seiner Meinung und seinen Handlungen wurde er mir zu extrem und auch ein wenig nervig.
Dennoch ist auch hier die Figurenkonstellation durchaus spannend und sorgt für einige herrliche Gespräche und Dispute.
Das wirkliche Highlight sind aber die Hamlet-Aufführungen und die Vorbereitungen derselben. Ich muss dazu sagen, dass ich Hamlet nicht mehr wirklich ernst nehmen kann, seit ich bei einer Theateraufführung von „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“ mitgearbeitet habe, bei der Hamlet ordentlich auf die Schippe genommen wird. Umso mehr Spaß hatte ich natürlich an den teils recht freien Inszenierungen der Truppe rund um Goethe, zumal sie mich mit all ihrem Chaos und den Doppelrollen manches Mal sogar an unsere drei Darsteller erinnert haben.
Dazu ist die Handlung fast durchgehend spannend und die Sprache erneut ein Genuss.
Wem „Das Erlkönig-Manöver“ gefallen hat, der wird sicher auch an diesem Roman seine Freude haben.
Hm, da stellen sich mir jetzt zwei Probleme: Erstens, von den neuen Kompanen kenne ich niemanden wirklich, also so vom Namen her schon, irgendwo mal aufgeschnappt, aber ich könnte nicht sagen, was einer von denen geleistet hat. Zweitens, Hamlet. Ich hab keinen Plan von dem Stück (noch so eine Bildungslücke, aber für Shakespeare hat mein Ehrgeiz bisher noch nicht gereicht). Die abgewandelten Vorführungen der Truppe könnten mich also vermutlich nur wenig unterhalten. Wie schätzt du das denn ein?
Dass du die Neuen nicht so kennst, würde ich jetzt nicht so problematisch sehen. Tieck und Schlegel sind für mich selbst als Germanistin nur so schwammig als "die Romantiker" in meinem Kopf, und von Madame de Stael hatte ich vorher noch nie gehört. Vielleicht ist es reizvoller, wenn man mehr über sie weiß, aber es fehlt nicht großartig was, wenn das nicht der Fall ist.
Das mit Hamlet sehe ich da schon etwas problematischer. Ich habe ja selbst das Stück nie gelesen, kenne aber die Handlung von unserer Theaterparodie in ihren Grundzügen sehr gut. Und das war natürlich schon hilfreich. Wenn man die Grundhandlung und die wichtigsten Figuren gar nicht kennt, haben die skurrilen Aufführungen der Truppe vermutlich nur halb soviel Witz.
Fazit: Erst mal Hamlet lesen ;D
Danke 🙂