Phantastisch Rezensionen

Guy Gavriel Kay – Tigana

Genre: Fantasy
Seiten: 816
Verlag: Harpercollins
ISBN: 978-0007342044
Meine Bewertung: 4,5 von 5 Sternchen

English-Challenge  (März) 

 
Vor 18 Jahren eroberten zwei Magier und ihre Truppen den Kontinent „the Palm“ und teilten die Länder unter sich auf: Alberico von Barbadior besetzt den Osten, Brandin von Ygrath den Westen. Von den eroberten Ländern hat es Tigana am schlimmsten getroffen. Als Rache für seinen dort getöten Sohn hat Brandin die Städte nicht nur dem Erdboden gleichgemacht, sondern auch den Namen und die Vergangenheit des Landes aus der Erinnerung all jener getilgt, die nicht selbst dort geboren wurden.
In all den Jahren aber haben einige Überlebende aus Tigana im Verborgenen daran gearbeitet, die beiden Eroberer zu vertreiben und ihrem Land den Namen wieder zu geben. Und jetzt ist für sie die Zeit reif, um all die Pläne in die Tat umzusetzen und sowohl Alberico als auch Brandin zu töten.
 
Ich liebe die Romane von Guy Gavriel Kay. Obwohl in einem Fantasysetting angesiedelt, sind einige dennoch eher „historische“ Romane in einem verfremdeten Umfeld ohne jegliche magischen Elemente. Anders „Tigana“, denn hier spielt Magie durchaus eine wichtige Rolle. Dennoch handelt es sich bei dem Roman eher nicht um typische Fantasy. Um die zentralen Themen Erinnerung, Identität, Freiheit und Rache herum entwickelt sich ein Geflecht aus Beziehungen, politischen Wirren und Intrigen.
Wer also große Action und Schlachten erwartet, wird mit diesem Roman nicht unbedingt glücklich werden.
 
Im Mittelpunkt stehen vielmehr die Figuren und ihre Vergangenheit. Kay schlüpft dabei nicht nur in die Perspektive der Rebellen, sondern auch in jene der beiden Eroberer. Dass hier nicht einfach auf der einen Seite die Guten und auf der anderen die Bösen stehen, wird schnell klar. Gerade Alessan di Tigana greift bisweilen durchaus zu fragwürdigen Methoden, die auch seine Begleiter zeitweise an seinen Handlungen zweifeln lassen. Und umgekehrt ist Brandin bei all seiner Unerbittlichkeit und den fast alles überschattenden Rachegefühlen doch auch ein sehr leidenschaftlicher und faszinierender Mann, dessen Charisma man sich beim Lesen nur schwer entziehen kann.
Bei aller Ambivalenz findet man bei Kay aber noch so etwas wie „klassische“ Helden – ganz im Gegensatz zu George R.R. Martins Figuren etwa. Das gibt es eigentlich mittlerweile in der Fantasy eher selten: Figuren, die vielschichtig und gut durchdacht sind und doch den Hauch von edelmütiger Größe an sich haben. Und ich muss sagen, ich mag diese Helden von Kay. Sie alle haben eine Intelligenz und Tatkräftigkeit gemeinsam, die durchaus erfrischend ist, vor allem, wenn man schwache und planlose Figuren so wenig mag wie ich.
 
Das Setting lässt sich am ehesten vielleicht mit Italien in der Renaissance vergleichen, wobei die Parallelen zu realen Vorbildern in „Tigana“ nicht so groß sind wie in anderen seiner Romane. Die Welt wirkt jetzt nicht unbedingt bis ins Detail ausgearbeitet, ist aber doch mit ihrer Kultur, ihrer Religion und den lokalen Sitten sehr greifbar.
 
Sprachlich habe ich diesen Roman von Kay ebenso großartig gefunden wie seine anderen, auch wenn ich mit dem Englisch manchmal zu kämpfen hatte. Mittlerweile hat sich die personale Perspektive in der Fantasy stark durchgesetzt, aber Kay schreibt da etwas eigenwilliger. Er zoomt immer mal wieder aus seinen Figuren heraus, macht auktoriale Einschübe, Vorausdeutungen und in einem hohen Maß auch Rückblenden. Sowas kann schiefgehen, aber bei Kay liest sich das alles sehr flüssig und stimmig. Kurz gesagt: Ich liebe seinen Stil einfach!
 
Bei all dem Lob hat „Tigana“ aber auch ein paar Schwachpunkte. So wird der Zufall (vor allem, wenn es darum geht, dass wichtige Figuren einander immer wieder über den Weg laufen) ab und an überstrapaziert und die Liebe zu ihrem Land ist bei manchen Personen stellenweise schon etwas nervig.
Das ändert nichts daran, dass ich den Roman insgesamt wirklich toll fand und fast traurig bin, dass ich ihn schon zu Ende gelesen habe. Ich vermisse die Figuren und hätte sie gern noch länger auf ihrem Weg begleitet. Dennoch hat „Tigana“ mich nicht ganz so sehr begeistert wie etwa „A Sarantine Mosaic“, also gibt es „nur“ 4,5 Sternchen.

4 thoughts on “Guy Gavriel Kay – Tigana

  1. Hört sich gut an. Ich hab ja eigentlich gar keinen Phantasy Focus, aber nachdem ich seit letzter Woche schlimm süchtig nach der Serie "Game of thrones" bin – Jede Klausurenphase heisst für mich eine neue Seriensucht 😛 – mus sich jetzt eiegtnlich mal wieder ein bisschen Phantasy lesen. Ich werd´s nächste Woche nochmal mit Terry Pratchett versuchen, von dem ich beim letzten Mal so genervt war, dass ich abgebrochen hab. Hast du "Mort" mal gelesen?

  2. Hört sich ja nicht schlecht an. Ich wünsche frohe Ostern und wollte nur kurz mitteilen, daß ich meinen ersten Wälzer für die Liebe,Tod und Ehre-Challenge gelesen und rezensiert habe.
    LG Myriam

  3. Gratuliere zum 1. Challengebuch! 🙂

    Mila, "Mort" hab ich nie gelesen, da ich ja nach 2 Scheibenwelt-Romanen das Kapitel Pratchett für mich eigentlich abgeschlossen hatte. Aber ich mir bin mal gespannt, wie er dir gefällt.

  4. "Tigana" möchte ich auch unbedingt lesen, da es mir als sehr tolles Werk angepriesen wurde, das man unbedingt mal gelesen haben sollte. Dass das Englisch nicht so ganz einfach ist, hat mich bisher davon abgehalten. Vielleicht habe ich ja Glück und es übersetzt mal einer …

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