Phantastisch Rezensionen Science Fiction

Peadar O’Guilín – Die Kuppel

Genre: Fantasy/Science Fiction
Seiten: 448
Verlag: Blanvalet
ISBN: 978-3442268900
Meine Bewertung: 3 von 5 Sternchen

Stolperzunge wächst in einer Welt heran, in der der nackte Kampf ums Überleben alles bestimmt: fressen oder gefressen werden, dazwischen gibt es nichts. Menschen und allerlei Arten von Bestien leben in verfallenen Städten in einer Art steinzeitlichen Gesellschaft, in der all jene, die zu verletzt oder alt sind, um etwas zum täglichen Überleben beizusteuern, keinen Platz haben.
Doch die klaren Strukturen werden völlig durcheinandergewirbelt, als eine fremdartige junge Frau in einer Metallkugel vom „Himmel“ (der Kuppel) fällt. Durch sie wird Stolperzunge zu einem Außenseiter – und zu einem erbitterten Rivalen seines einst geliebten Bruders.
Peadar O’Guilín wirft die Leser mit diesem Auftakt einer Trilogie in eine Welt, wie sie fremdartiger und erschreckender nicht sein könnte. Das Wohl der Gemeinschaft steht hier ganz im Vordergrund und jeder, der dazu keinen wertvollen Beitrag mehr leisten kann, hat sein Anrecht auf das Leben verwirkt. Denn außer Menschen leben in dieser Welt eine ganze Reihe von seltsamen Bestien, die die einzige Nahrungsquelle darstellen und selbst wiederum in den Menschen ihre Nahrungsquelle sehen. Ohne die gefährliche Jagd auf sie kann es kein Überleben geben, und so ist der ganze Alltag bestimmt von Kämpfen, vom Jagen und Gejagt werden, von der Sorge, genug Fleisch für die Gemeinschaft zu erbeuten.
Dementsprechend blutig und grausam stellt sich also diese Gesellschaft dar, aber sie wirkt bis in die kleinsten Details hinein stimmig. Stolperzunge, der stotternde junge Mann, ist ebenso wie die anderen Figuren in seinem Denken und Handeln gänzlich in dieser Gesellschaft verankert. Es ist definitiv eine der großen Stärken des Buches, dass der Autor es schafft, hier so außergewöhnliche Strukturen darzustellen, die in sich völlig logisch und harmonisch wirken.
Mit Indrani, der Frau „vom Himmel“, kommt ein fremdes Element in die funktionierende Gemeinschaft – und wie man sich schon denken kann, funktioniert diese fortan immer weniger. Indrani könnte eigentlich als Verständnishilfe für die Leser dienen, da sie selbst eine Fremde ist und die grausamen Gesellschaftsstrukturen mit Abscheu betrachtet, aber stattdessen fühlte ich mich ihr ferner als den anderen Figuren. Ihre Arroganz und vermeintliche „zivilisierte“ Überlegenheit wirkt sehr fehl am Platz angesichts des nackten Überlebenskampfes, mit dem Stolperzunge und seine Leute Tag für Tag konfrontiert werden.
Auch das ist eine der Stärken: Es gibt nicht die barbarischen Wilden auf der einen und die zivilisierten Menschen auf der anderen Seite. Angesichts der ganzen Funktion der Kuppel (erfahrene Leser und Kinobesucher durchschauen hier natürlich sehr schnell, was dahinter steckt) wirkt es vielmehr wie reiner Hohn, wenn Indrani sich auch nur in irgendeiner Weise als überlegen betrachtet.
„Die Kuppel“ bietet also den Blick auf eine äußerst faszinierende Gesellschaft und interessante Überlegungen, was denn nun gut und böse, was „wild“ und zivilisiert ist.
Warum bekommt der Roman dennoch nur 3 Sterne von mir? Leider gab es einige Punkte, die mir nicht so gut gefallen haben und auf diese werde ich nun näher eingehen:
Ich denke, ich habe bereits klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich hier um einen sehr blutigen Roman voller Kämpfe und Action handelt. Das ist per se nicht schlecht, aber der Autor zieht all die Kämpfe mit den immer wieder neuen (und immer absurderen) Bestien so sehr in die Länge, dass es irgendwann nur noch ermüdend ist. Viele dieser Kämpfe konnte ich mir außerdem ebenso wenig bildlich vorstellen wie all die exotischen Kreaturen. Daher konnte ich in diese Szenen überhaupt nicht eintauchen – was natürlich problematisch ist, wenn sie doch einen Großteil des Buches ausmachen.
Ständige Action führt außerdem zu einer gewissen Übersättigung. Irgendwann bleibt einfach die Spannung auf der Strecke, wenn nur wieder der zigste Kampf mit den zigsten Kreaturen (die ich teilweise auch nicht auseinanderhalten konnte) in allen Einzelheiten beschrieben wird.
Was dabei ebenfalls auf der Strecke bleibt, das sind die Figuren. Zwar hat O’Guilín sowohl mit Stolperzunge als auch mit zahlreichen Nebenfiguren sehr interessante Charaktere geschaffen, aber man hat doch das Gefühl, dass er stets nur an der Oberfläche kratzt. So wirklich ans Herz wachsen konnte mir keine der Figuren, was wohl daran liegt, dass für ihre Entwicklungen und auch ihr Innenleben bei all der Action teilweise nicht genug Zeit bleibt.
Und das wiederum war ein weiterer Punkt, der mir ein wenig die Spannung geraubt hat – denn trotz all der Gefährlichkeit der Umgebung, konnte ich mit den Figuren nur teilweise mitbangen.
Schließlich hatte ich noch ein Problem mit der, ich nenn sie mal, „zweiten“ Gesellschaft. So stimmig Stolperzunges Welt ist, so seltsam und lückenhaft bleibt jene von Indrani. In vielen Dingen stellt sich hier die Frage des Warum und auch die Frage, wie das alles funktionieren soll. Dabei hatte ich auch sehr oft das Gefühl, dass dieser Hintergrund eklatante logische Lücken aufweist. Möglich, dass diese Lücken dann im Folgeband gestopft werden, aber ich kann bisher nur diesen Band bewerten und da will sich bei mir kein stimmig-logisches Bild ergeben.
Das mag auch an der beschriebenen Technik liegen, die mir eher „magisch“ erschien. Damit meine ich nicht, dass Technologien immer völlig durchschaubar sein müssen, aber hier konnte ich mir von vielen Dingen, vor allem dem ominösen „Sprecher“, die Funktionsweise überhaupt nicht erklären. Und ein „die Technik funktioniert eben so, weil sie so funktioniert“ ist für mich reines Handgewedel, das mir nicht wirklich als Erklärung reicht.
Stilistisch ist der Roman sehr gut gelungen. Sowohl der Sprachrhythmus als auch die tollen, sprechenden Namen (Stolperzunge, Moosherz, Quetschfaust) und Bezeichnungen (etwa „Feuchtpfad“ für den Fluss) passen sehr gut zu der archaischen Gesellschaft. Der Roman liest sich sehr locker und flüssig, wobei manche Beschreibungen etwas anschaulicher sein könnten.
Insgesamt ist „Die Kuppel“ mal ein ganz anderer Fantasy-Roman mit einem interessanten Konzept, der mich allerdings nicht gänzlich überzeugen konnte. Ich werde wohl dem 2. Band noch eine Chance geben, kann aber nicht behaupten, dass ich bereits begierig bin, ihn zu lesen.

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