Krimi/Thriller Rezensionen

Yrsa Sigurðardóttir – Das gefrorene Licht

Band 2 der Serie um Dóra Guðmundsdóttir

ungekürztes Hörbuch (12 h 8 min)
gelesen von Christiane Marx
erschienen bei Argon Hörbuch

woher: Büchereien Wien (Onleihe)

Hörbuch-Challenge

Die Anwältin Dóra wird von einem ihrer Mandanten auf die Halbinsel Snæfellsnes gerufen, um ein Wellness-Hotel mit esoterischem Anstrich genauer unter die Lupe zu nehmen. Angeblich soll es dort spuken, was den Wert des Hotels deutlich mindern würde. Doch Dóra kommt kaum dazu, die vermeintlichen Spukerscheinungen zu untersuchen, da gibt es bereits die erste Tote – und es handelt sich ausgerechnet um die Architektin des Hotels.
Obwohl mich Das letzte Ritual nicht ganz überzeugt hat, wollte ich dieser isländischen Krimiserie noch einmal eine Chance geben. Ich denke aber, dass ich nach diesem Band nun keine weiteren mehr lesen werde. Was ich bereits im 1. Band kritisiert habe, hat mich hier erneut (teilweise sogar noch mehr) gestört: Dóra war mir mit ihrer kindischen und selbstgerechten Art wieder sehr unsympathisch und ihr Verhalten als Mutter fand ich absolut unverantwortlich. Dabei finde ich ihre Familienprobleme sogar recht unterhaltsam und ihr Sohn Gylfi ist meiner Meinung nach ja der heimliche Star des Buches, aber ihr Verhalten hat mir hier fast die Haare zu Berge stehen lassen.
Wer sich bei der Nebenhandlung nicht von mir spoilern lassen möchte, sollte den folgenden Absatz überspringen:
Während Dóra auf Snæfellsnes ist, büchsen ihre beiden Kinder (der Sohn ist 16, die Tochter 6 Jahre alt) vom geschiedenen Vater aus. Zwar hat Gylfi noch keinen Führerschein, aber das hindert ihn nicht daran, mitsamt seiner kleinen Schwester und seiner schwangeren Freundin in einem Wohnwagen durch die Gegend zu fahren. Als Dóra herausfindet, wo die drei unterwegs sind, befiehlt sie ihnen nur, an Ort und Stelle zu bleiben, bis sie am Abend jemand abholen kann und verschwendet für den Rest des Tages keine Gedanken mehr an sie. Die wiederholten Anrufe des Vaters (der zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal weiß, wo die Kinder sind) ignoriert sie aus reinem Trotz und findet es sogar noch amüsant, ihn zappeln zu lassen; die Eltern des hochschwangeren Mädchens informiert sie auch nicht, weil sie keine Lust hat, sich von ihnen Vorwürfe anhören zu müssen.
Ich halte nicht sehr viel von überbesorgten Müttern, aber hier konnte selbst ich nur noch fassungslos den Kopf schütteln.
Auch Matthias ist wieder mit von der Partie und zwischen ihm und Dóra fehlen erneut jedes erotische Knistern und jede spürbare Anziehung. Mit seinem arroganten Getue und den spöttischen Bemerkungen darüber, dass Dóra nicht gerade ein Modepüppchen ist (er dafür schon), konnte er bei mir auch nicht mehr Sympathiepunkte sammeln als im 1. Band.
Der Kriminalfall dagegen war wieder spannend und stimmig. Es gibt ein paar Elemente mit leichtem Gruselfaktor und dazu eine recht interessante Familiengeschichte. Zwar fühlte ich mich stellenweise ein wenig von all den Namen und verwandtschaftlichen Beziehungen überfrachtet, doch im Laufe der Zeit konnte ich doch alle Figuren zuordnen.
Die Auflösung hat mich überrascht, aber von ein paar kleinen Details abgesehen hat sie mich durchaus überzeugt.
Nach zwei Büchern ist nun mein Eindruck, dass Yrsa Sigurðardóttir zwar ganz gute Krimiplots stricken und auch eine schöne Atmosphäre erzeugen kann, allerdings kein Händchen für Figuren hat.  Vielleicht werde ich ihr mit „Geisterfjord“ noch einmal eine Chance geben, da es dort um andere Ermittler geht.
Die Serie um Dóra und Matthias kann ich auf jeden Fall nur bedingt empfehlen – ob man daran Gefallen findet, hängt wohl stark davon ab, ob man mit den beiden Hauptfiguren etwas anfangen kann. Ich konnte es leider nicht.

6 thoughts on “Yrsa Sigurðardóttir – Das gefrorene Licht

  1. Mit anderen Ermittlern könnte ich mir auch vorstellen, der Isländerin noch eine Chance zu geben; sonst verlasse ich mich auf dich, hatten wir doch ziemlich den gleichen Eindruck von Dóra und Co.
    Liebe Grüße!

  2. Góðan dag, Neyasha.
    Offenbar täte die Autorin vielleicht besser daran, die aufgearbeiteten Fälle aus der Sicht des Sohnes zu schildern; gelegentlich sind die Kinder die reiferen "Erwachsenen", wie der Volksmund meint.*
    Möglicherweise sind die beiden asympathischen Ermittler auch nur eine Variante nordischer Kaputtniks, die seit Wallander den dortigen Krimi dominieren. So besehen wäre die Perspektive der jungen Ausreißer erst recht die anmerkenswertere geworden.
    Auf der Welle kann ja jeder, irgendwie!

    bonté

    *wobei ein Sechzehnjähriger s c h o n etwas über die Verhütung wissen sollte 🙂

    1. Nein, die beiden sind definitiv keine nordischen Kaputtniks! Im 1. Band habe ich sogar das recht erfrischend gefunden. Aber so unsympathisch, wie mir die beiden waren, hätte ich mir fast schon wieder den depressiven Erlendur gewünscht.

  3. Ich habe mir-weil hochgelobt-ein Hörbuch aus der Reihe gegönnt. "Todesschiff". Und ich bin jetzt so sauer, dass ich das NICHT rezensieren werde, schade um die Zeit. In meinem Buch waren nicht nur die die Charaktere furchtbar unsympathisch (Dora und Bella gehen gar nicht, der Rest ist schlichtweg völlig uninteressant, das eckt sich mit deinen Leseeindrücken)sondern die Handlung ist an Banalität (stundenlanges Wiederkäuen von Quark der nicht ansatzweise zur Handlung gehört) auf der einen Seite und Abstrusität auf der anderen echt nicht zu toppen. Ganz schlimm ist das letzte Kapitel, wo es um den Verbleib eines sechsjährigen Zwillingspärchens geht,nachdem die Geschichte lieblos und total konstruiert aufgelöst wurde…aus dieser Reihe tu ich mir auch nix mehr an.

    1. Ja, Bella fand ich auch furchtbar, aber die kam zum Glück im 2. Band so gut wie nie vor.
      Ich weiß nicht, ob ich es noch mit einem anderen Krimi der Autorin außerhalb der Reihe versuche, aber Dora tu ich mir auch nicht nochmal an – wobei ich, im Gegensatz zu dir, die Krimiplots recht unterhaltsam fand (zumindest bei den ersten beiden Bänden).

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