Erzählungen Rezensionen

Christoph Ransmayr – Der Weg nach Surabaya

 

erschienen bei Fischer
 
 
„Der Weg nach Surabaya“ enthält 16 Texte von Christoph Ransmayr – hauptsächlich Reportagen, die er für Merian und Extrablatt geschrieben hat, aber auch Kurzprosa und Dankreden, die er bei der Verleihung von Literaturpreisen gehalten hat. Gemeinsam haben die Texte, dass sie sich alle mit Reisen oder der Beschreibung einzelner Landstriche auseinandersetzen.
 
Der oberösterreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr ist nicht nur ein begeisterter Reisender (er selbst bezeichnet sich als „Halbnomaden“), sondern hat vor allem in den 80er Jahren auch zahlreiche Reportagen für (Reise)magazine geschrieben. Dabei geht es aber zumindest in den hier versammelten Texten nur selten um exotische Reiseziele, sondern um das vermeintlich Naheliegende: Bayern, das Salzkammergut, Kaprun, das Mostviertel, Hallig Hooge im Wattenmeer. Erst in den letzten Texten schweift Ransmayr weiter in die Ferne und erzählt vom Zuurberg in Südafrika und einer Lastwagenfahrt nach Surabaya.
 
Es hat mich selbst überrascht, dass ich die ersten „nahen“ Gegenden am faszinierendsten beschrieben fand. Der Autor hat einen ungemein aufmerksamen Blick für das Alltägliche, das scheinbar Uninteressante und beschreibt das Leben in kleinen Dörfern sehr anschaulich.
Dabei hilft natürlich sein Schreibstil, der alles andere als nüchtern und karg ist, sondern wortgewaltig und fast ein wenig altmodisch. Hier eine kleine Kostprobe:
 
„Am Rand einer jäh abfallenden Lichtung des Mischwaldes dreht sich der Totengräber nach mir um, weist auf Schroffen und Bergkämme und zählt ihre Namen auf. Wie abblätternder Kalk gleiten Nebelfetzen die Steinhalden hinab. Tief unter uns, im besänftigenden Rauschen des Regens, liegt der südlichste und kälteste See des oberöstereichischen Salzkammergutes und an seinem Ufer, klein und verschwindend, Hallstatt; die Salzgrubenstadt.“
(aus: Die ersten Jahre der Ewigkeit. Der Totengräber von Hallstatt; S. 63)
 
Nicht zuletzt aufgrund des poetischen Stils fügen sich Reportagen und Prosatexte so harmonisch zusammen. Denn nicht alle Texte in dem Buch sind reine Beschreibungen des Wirklichen. Ransmayr erzählt auch von einer fiktigen Reise zur Kaiserin Zita im Exil, überlegt, wie der letzte Tag von Konstantinopel 1453 ausgesehen haben könnte und lässt Minos Daedalus den Auftrag zum Bau des Labyrinths von Knossos geben.
 
Obwohl ich manche Texte gelungener fand als andere, hat mir diese Sammlung ebenso gut gefallen wie die Romane von Christoph Ransmayr. Ich hatte sogar fast den Eindruck, dass seine Sprache in diesen kurzen Texten besser zur Geltung kommt als in langen Romanen, wo diese mitunter ermüdend werden kann (was nichts daran ändert, dass ich auch seine Romane sehr gern lese).
 
„Der Weg nach Surabaya“ ist ein Buch der stillen Zwischentöne, das Fernweh erzeugt – selbst (oder erst recht) dort, wo die Reise gar nicht allzu weit in die Ferne schweift. Ransmayrs Schreibstil mag die Meinungen spalten. Ich bin auf jeden Fall ein großer Fan davon und kann daher diese Textsammlung ebenso empfehlen wie etwa „Die letzte Welt“ oder „Der fliegende Berg“.

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