erschienen bei Macmillan
Im Alter von elf Jahren hat der Waisenjunge Simon Snow nicht nur erfahren, dass er ein Magier ist, sondern auch dass er auserwählt ist, eine Wesenheit zu bekämpfen, die Löcher in die magische Atmosphäre reißt. Mittlerweile ist Simon in seinem letzten Schuljahr in der magischen Schule Watford und hat alle Hände voll zu tun, um nicht nur gegen die Bedrohung zu kämpfen, sondern auch herauszufinden, was sein Erzfeind und Zimmergenosse Baz im Schilde führt.
Wenn hier einige Aspekte der Zusammenfassung sehr vertraut klingen, ist das kein Zufall: „Carry On“ weist an der Oberfläche starke Parallelen zu Harry Potter auf und das mit Absicht. Rainbow Rowell hat 2014 einen Roman namens „Fangirl“ veröffentlicht, in dem die Hauptfigur Fanfictions für die beliebte fiktive Serie „Simon Snow“ verfasst. Der vorliegende Roman ist nun Rainbow Rowells eigene Version dieser Fanfiction.
Was die Autorin hier macht, ist die grundlegende Strukturen und Figuren von Harry Potter zu nehmen und sie dann in ganz andere Richtungen zu führen. Das ist sicher nicht jedermanns Fall, aber ich hatte einen unglaublichen Spaß mit diesem Roman. Einerseits wirkt die Welt von Simon Snow vertraut und fast ein wenig wie „nach Hause kommen“; andererseits werden auch Plotlöcher von Harry Potter aufgegriffen und hier auf eine ganz andere und tatsächlich logischere Weise aufgelöst. Wir haben ein Waisenkind, Prophezeiungen, eine Magierschule, die belesene Freundin, einen Erzfeind aus reichem Haus, den weisen Mentor. Aber immer dann, wenn das alles zu vertraut wird, lässt ein interessanter Twist die Geschichte in eine ganz andere Richtung laufen.
Die eigentliche Auflösung des Rätsels rund um die verschwundene Magie und um Simon selbst fand ich interessant und stimmig, auch wenn ich die Puzzlesteine schneller als die Hauptfiguren zusammensetzen konnte und einige Wendungen dementsprechend erwartet habe. Man muss aber dazu sagen, dass diese Wendungen teilweise auch schon in „Fangirl“ vorweggenommen werden. Ich selbst habe zuerst „Carry On“ und erst danach „Fangirl“ gelesen, was für mich sehr gut funktioniert und eben auch noch zu einigen Überraschungen geführt hat.
Auch das eher bittersüße, sogar etwas schmerzhafte Ende fand ich sehr gut gelungen.
Die Figuren in „Carry On“ sind liebevoll gezeichnet und eigenständig, obwohl man ihre Harry Potter-Pendants noch in ihnen erkennt. Ich mochte besonders Penelope, Simons kluge Freundin, und fand den Schulleiter um einiges interessanter und in sich stimmiger als Dumbledore (mit dem ich immer meine Probleme hatte).
Die spannendste Figur ist aber sicher Baz, der zwar als Widersacher von Simon, aber nicht als Bösewicht eingeführt wird und der auch eine sehr überzeugende Motivation und Hintergrundgeschichte bekommen hat.
Da wir es hier ja sozusagen mit einer Fanfiction zu tun haben und Rainbow Rowell auch augenzwinkernd mit dieser Tatsache spielt, ist es nicht überraschend, dass sich hinter der Feindschaft zwischen Baz und Simon eigentlich ganz andere Gefühle verbergen. Und hier ist nun der Teil, der für mich in dem Roman wirklich überraschend gut funktioniert hat. Ich konnte nie nachvollziehen, woher die Obsession mancher Harry Potter-Fans mit Draco Malfoy kommt und wie jemand auch nur auf die Idee kommen kann, eine Romanze zwischen ihm und Harry zu schreiben. Aber Baz und Simon sind eben trotz gewisser Parallelen nicht Draco und Harry und die sich sehr langsam anbahnende, sowie auch nicht ganz unproblematische Liebesgeschichte zwischen ihnen gehört zu den Highlights des Romans. Rainbow Rowell baut hier eine dermaßen knisternde Spannung zwischen den Figuren auf, dass ich selbst zum Fangirl mutiert bin und bei einer bestimmten Szene nur deshalb nicht begeistert gequiekt habe, weil ich zu dem Zeitpunkt im Zug saß.
Ich weiß nicht, ob ich „Carry On“ weiterempfehlen kann. Es ist schon ein sehr spezielles Buch und ich denke, man muss gleichermaßen ein Fan von Harry Potter, als auch offen für einige Seitenhiebe darauf sein, um an Rowells Geschichte Freude zu haben. Ich weiß noch nicht mal, ob ich es direkt als guten Roman bezeichnen würde (manche Szenen sind schon arg geschwätzig), aber bei mir hat er genau den richtigen Nerv getroffen und ich habe schon lange kein Buch mehr in so einer Geschwindigkeit verschlungen. Sollte Rainbow Rowell noch mehr über Baz und Simon schreiben (was sie aktuell zumindest nicht ausschließt), würde ich die Fortsetzung auf der Stelle kaufen.
Das klingt auf jeden Fall unterhaltsam und amüsant. Ich halte den Titel mal im Hinterkopf, obwohl es sehr lange her ist, dass ich „Harry Potter“ gelesen habe und nicht weiß, ob ich alle Anspielungen zuordnen könnte.