Rezensionen Sachbuch

Gavin Francis – Empire Antarctica. Eis, Totenstille und Kaiserpinguine

erschienen bei Dumont

 

Für den schottischen Arzt Gavin Francis erfüllt sich ein Traum, als er eine Stelle für ein Jahr in der britischen Forschungsstelle Halley in der Antarktis bekommt. Schon lange hegt er eine Faszination für die Polarregionen und für Kaiserpinguine, aber er hofft auch, in der Stille und Einsamkeit des polaren Winters endlich seine Gedanken sortieren zu können.

 

Mich hat diesen Sommer Dem Nordpol entgegen von Gavin Francis so begeistert, dass ich sofort sein nachfolgendes Buch gekauft und gelesen habe. Leider hat mich aber „Empire Antarctica“ nicht ganz so überzeugt.

Der Untertitel verrät bereits, dass Pinguine in diesem Buch eine große Rolle spielen, aber obwohl ich diese Tiere durchaus interessant finde, waren mir die Schilderungen des Autors über die Kaiserpinguine ein wenig zu ausführlich. Seine ausführlichen Betrachtungen der Tiere kamen mir im Laufe des Buches etwas redundant vor und ich hätte stattdessen gern mehr über seinen Alltag in Halley gelesen. Dieser wird zwar beschrieben, aber angesichts der Länge des Buches hätte ich mir hier detailliertere Einblicke gewünscht.

Auch die anderen Bewohner der Forschungsstation sind nur selten Thema. Ich weiß nicht, ob es Gavin Francis schlicht darum ging, deren Privatsphäre zu wahren (was ja an sich löblich wäre), aber da er in „Dem Nordpol entgegen“ soviele interessante Begegnungen und Lebensgeschichten geschildert hat, war ich hier überrascht, als seine Interaktionen mit anderen Menschen nur so selten eine Rolle gespielt haben. Mir war auch der Autor in diesem Buch oft nicht sehr sympathisch, da er mir manchmal recht egoistisch vorkam.

Vielleicht hängt es damit zusammen, dass es Gavin Francis bei diesem Jahr tatsächlich auch ums Alleinsein ging und um die Möglichkeit, zu sich zu finden. Er verbringt daher viel Zeit draußen, selbst im dunklen Winter, und beschreibt im Zuge dessen auch sehr eindrucksvoll die Landschaft, die Lichtstimmungen, die Polarlichter und die Kälte. In diesen Passagen kann man seine Faszination für diese Gegend klar herauslesen und ich fand es schön mitzuerleben, wie er all das in sich aufnimmt.

Sehr spannend sind auch seine Exkurse zu früheren Expeditionen in die Antarktis und der Vergleich zwischen den damaligen Möglichkeiten und der modernen Ausrüstung. Es werden einige historische Berichte und Tagebücher zitiert und man bekommt auch einen guten Einblick in die Geschichte der Polarforschung. Etwas befremdlich fand ich lediglich den sehr verklärten Blick auf den „tragischen Helden“ Scott (dessen Expedition vor allem aufgrund katastrophaler Fehlplanungen gescheitert ist) und umgekehrt das fast völlige Aussparen von Amundsen.

 

Trotz der Kritikpunkte habe ich „Empire Antarctica“ sehr gern gelesen. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen, weil „Dem Nordpol entgegen“ genau meinen Nerv getroffen hatte, und war demnach auch etwas überkritisch. Am Ende hatte ich auf jeden Fall auch bei diesem Buch das Gefühl, dass ich gern noch mehr Zeit mit Gavin Francis in der Antarktis verbracht hätte.

3 thoughts on “Gavin Francis – Empire Antarctica. Eis, Totenstille und Kaiserpinguine

  1. Kia ora, Neyasha.
    Der Südpol mag wohl in diesem Fall auch die Antipode zum Nordpol darstellen, wenn ich ein wenig kalauern darf. Gut möglich, dass der Schotte mit den Leuten hier weniger gut zurecht kam, weswegen er wenig auf die Menschen & mehr auf die Kaiserpinguine eingeht.
    Persönlich kann ich mir eigentlich keinen schlechteren Ort vorstellen, die eigenen Gedanken zu sortieren, als eine Zweckgemeinschaft in der völligen Abgelegenheit. Denn tatsächlich hockt man/frau ja dort regelrecht aufeinander. Jeder sprichwörtliche einsame Leuchtturm würde sich besser dafür eignen. Denke ich.
    Das mag vielleicht alles dezent auf das Buch durchgeschlagen haben.
    Bei der narrativen Bevorzugung von Scott mag wohl der Brite in Francis durchgebrochen sein… 😉
    Ich versuche mir übrigens ein 6 Monate andauernde Nacht vorzustellen – schon ein wenig zum fürchten.

    Danke auch für den kleinen Hiatus von der Herbst-Pause.

    bonté

    1. Ich verstehe schon, weshalb es für Gavin Francis der richtige Ort ist, um die Gedanken zu sortieren, in dieser Abgeschiedenheit und unglaublichen Weite, weg vom Alltag und all den Ablenkungen. Für mich wäre das aber auch nichts – ich befürchte, dass ich meine Polarleidenschaft lieber vom Sofa aus in Büchern auslebe. 😉

      1. …stimmt, Sofas stellen in der Regel die angenehmeren Basis-Camps für Exkursionen aller Art dar. Meine Reisen unternehme ich persönlich gernst von dort aus – via Dokus.
        Man/frau verpasst dabei zumindest keinen Flieger… ?

        bonté

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