Gegenwartsliteratur Rezensionen

Petra Piuk – Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman

erschienen bei Kremayr & Scheriau

 

Für einen Heimatroman nehme man: ein idyllisches Dorf namens Schöngraben an der Rauscher, kirchliches Glockengeläut, heimattreue Dörfler im Wirtshaus, ein seit dem Kleinkindalter füreinander bestimmtes Pärchen und ein Happy End (idealerweise in Form einer Trachtenhochzeit). Dumm nur, wenn sich die Figuren nicht an die Genreregeln halten wollen und die Heldin sich in den falschen verliebt, die viel zu moderne Großcousine aus der Stadt kommt, um in der Vergangenheit zu stochern und die Romanautorin selbst das glückliche Ende sabotieren will.

 

Wie der Titel schon andeutet, entwirft Petra Piuk ihre Hölle – Verzeihung: Idylle – eines Heimatromans in Form einer Gebrauchsanweisung, während in den Fußnoten ein Austausch zwischen Autorin, Lektorin und Verlag stattfindet und stellenweise auch die Vorableser den weiteren Handlungsverlauf mitbestimmen dürfen. Bereits Form und Aufbau des Romans widersetzen sich also allen Konventionen und das setzt sich auch im Inhalt fort.

Das ländliche Dorfidyll wird hier dermaßen zynisch und dabei schmerzhaft treffend aufs Korn genommen, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Ich dachte zunächst, dass es sich hier um eine witzige Satire handelt, aber tatsächlich ist der Roman so bitterböse und rabenschwarz, führt in solch tiefe Abgründe, dass es teilweise nur schwer zu verdauen ist. Schöngraben an der Rauscher ist quasi ein feuchter FPÖ-Traum – hier werden althergebrachte Traditionen gelebt, Frauen bleiben am Herd, bei häuslicher Gewalt schauen alle weg, da darf es noch eine gesunde Watschn geben und Fremde müssen ebenso wie die böse weite Welt gefälligst draußen bleiben. Und ja, manchmal ist das richtig amüsant zu lesen (vor allem der Austausch in den Fußnoten), aber meistens ist dieser Roman ganz schön harter Tobak.

Es wimmelt in diesem Buch nur so von pointierten Aussagen – Petra Piuk versteht es wirklich meisterhaft, den Finger genau auf die Wunde zu legen und in einem vermeintlich einfachen Stil (immerhin ist es ja ein Heimatroman) die Situationen sehr treffend zu schildern.

„Toni und Moni“ ist quasi das Gegenteil eines Wohlfühlromans – verstörend, schonungslos, zynisch und zum Ende hin teilweise auch sehr skurril. Sehr empfehlenswert, aber aufgrund der eigenwilligen Form und der heftigen Themen vermutlich nicht jedermanns Fall.

6 thoughts on “Petra Piuk – Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman

  1. Hoi, Neyasha.
    Das verdüsternste Element mag wohl hierbei sein, daß nicht Wenige die solchigen Zustände ernsthaft herbeisehnen…
    Weil „früher alles besser war“ (die quasi Leibeigenschaft verkaufter Kinder), „alle eine christliche Einstellung teilten“ (die häßliche Bigotterie gegenüber unverheirateten Müttern), „das Leben sicherer war“ (es sei den ein Landesfürst den anderen mit Krieg überzog).
    Nope, wahrlich kein schöner Land!

    Hoffe der Schnee hält sich weiter runter die Donau in Grenzen; hier ist er bereits schon wieder verschmolzen. ?

    bonté

    1. Ja, das und die Tatsache, dass in manch ländlichen Gegenden solche Zustände nicht nur herbeigesehnt werden, sondern durchaus noch an der Tagesordnung sind – wenn auch nicht so extrem wie in dem Roman dargestellt.

      Während halb Österreich in Schnee und Lawinenwarnungen versunken ist, gab es in Wien nur ein paar einzelne Flöckchen.

  2. So interessant das Buch klingt, so fürchte ich doch, dass das nichts für mich wäre. Ich bin als „Zugezogene“ in solch einer dörflichen „Idylle“ aufgewachsen und bin eigentlich ganz froh, wenn ich diesen Teil meiner Kindheit verdrängen kann.

    1. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, ob ich zu dem Buch gegriffen hätte, wenn ich vorher gewusst hätte, wie böse und heftig der Roman ist – obwohl ich ihn ja durchaus gern gelesen habe.

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