erschienen bei Luchterhand
Deutschland in den späten 2020er Jahren: An der Regierung ist die BBB (Besorgte-Bürger-Bewegung), die die demokratischen Grundrechte immer weiter abschafft. Niemand leistet wirklichen Widerstand dagegen; auch jene, die früher demokratische Werte hochgehalten haben, halten sich desillusioniert aus der Politik fern. So auch Britta und ihr Geschäftspartner Babak, deren ominöse Firma „Die Brücke“ erfolgreicher denn je ist. Als sie unerwartet Konkurrenz bekommen, wird Britta aus ihrem bequemen Leben aufgerüttelt und muss bald feststellen, dass sie es mit gefährlichen Gegnern zu tun hat.
Juli Zeh schafft es sehr gut, mit ihren Dystopien den Nerv der Zeit zu treffen. Das hat sie schon mit Corpus Delicti gezeigt und mit „Leere Herzen“ ist sie nochmal ein Stück näher an der Realität. Sie thematisiert in diesem thrillerartigen Roman den aktuellen Rechtsruck der Gesellschaft, wobei die politischen Zustände zunächst als reiner Hintergrund des Romans dienen. Im Zentrum steht vor allem in der ersten Hälfte „Die Brücke“, in der auf zynischste Weise mit dem Tod ein Geschäft gemacht wird. Was genau die Idee hinter Brittas Firma ist, möchte ich hier nicht verraten, da ich es interessant fand, das im ersten Romandrittel erst nach und nach zu entdecken. Auch ihre Freunde und Familie haben keine Ahnung, was sich hinter der als „Psychotherapeutische Heilpraxis“ getarnten Firma verbirgt und so führt Britta ein Doppelleben, das solange perfekt funktioniert, bis unerwartet ein Konkurrenz-Unternehmen auf den Plan tritt.
Die Geschichte um Britta, ihren Partner Babak und „Die Brücke“ liest sich sehr spannend und entwickelt durch die zunächst unterschwellige, später sehr handfeste Bedrohung auch rasch einen Sog, der mich das Buch nur schwer aus der Hand legen ließ. Anders als der politische Hintergrund, den ich sehr plausibel geschildert fand, sind die Idee rund um Brittas Firma und die Entwicklungen, die sich aus dem Thriller-Plot ergeben, aber doch recht überzeichnet. Das hat mich beim Lesen allerdings weniger gestört als hinterher beim nochmaligen Nachdenken über das Buch.
Juli Zeh spart in diesem Roman nicht an Gesellschaftskritik und geht hier auch nicht eben subtil vor. Dabei trifft die Kritik nicht vorrangig jene, die die BBB wählen, sondern die Nichtwähler, die in Gleichgültigkeit erstarrt sind und sich im Zweifelsfall eher für ihre Waschmaschine als das Wahlrecht entscheiden würden. Die mangelnde Subtilität mag vielleicht einige Leser stören – ich persönlich fand die mitunter sehr klaren und appellierenden Worte der Autorin durchaus berechtigt. Mir haben auch das (eher optimistische) Ende und die Schlussaussage gut gefallen und der Roman hat nach dem Lesen noch eine ganze Weile in mir nachgehallt.
Mit Unterleuten konnte „Leere Herzen“ für mich aber doch nicht mithalten. Das liegt unter anderem daran, dass die Figuren sehr auf Distanz bleiben. Das unterstreicht sicher das Grundthema des Romans – so ist eben auch Brittas Herz über weite Teile des Romans „leer“ -, aber ich hatte doch so meine Probleme, Sympathien für die Figuren aufzubringen. Außerdem ist die Ironie und die Balance zwischen Realismus und Überspitzung in „Unterleuten“ besser gelungen. Trotzdem ein empfehlenswertes Buch, sofern man sich nicht an politischen Aussagen in Literatur stört.
Salut, Neyasha.
Was sich „besorgte Bürger“ oder Protestwähler nicht vor den eigenen Verstand führen ist, daß die Gleichschaltung die Maxime solcher Parteien ist (abgesehen jetzt von solchen Anhängern, die eh selbst damit liebäugeln). Ein nicht dagegen Wählen ist dann die falscheste aller Optionen. Ein Blick ins Vereinigte Königreich genügt.
Vermutlich ging es Juli Zeh auch nicht um Subtilität, sondern mehr um Appell an den Verstand. Denke ich.
„If you don’t bother in time, at last someone will bother you!“
(Ethie Loughibonne)
bonté