erschienen bei Luchterhand
Zwei kleine Kinder tot – offensichtlich ermordert von der Nanny, die nach einem Selbstmordversuch im Koma liegt. Das ist die Anfangsszene in „Dann schlaf auch du“, ehe der Roman in der Zeit zurückspringt und erzählt, wie es dazu kommen konnte, dass die unentbehrliche Nanny Louise eine solche Tat begehen konnte.
Für „Dann schlaf auch du“ (im Original „Chanson douce“) wurde die Schriftstellerin Leïla Slimani, die in Marokko geboren wurde und seit ihrem achtzehnten Lebensjahr in Paris lebt, 2016 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Sie schildert darin die Geschichte einer Familie, die sehr alltäglich beginnt: Myriam und Paul sind Mitte dreißig, leben in Paris und suchen eine Betreuung für ihre zwei Kinder, als Myriam wieder als Anwältin arbeiten möchte. Er reagiert zuerst mit Unverständnis, sie hat mit Schuldgefühlen zu kämpfen. Aber als sie mit Louise eine vermeintlich perfekte Nanny finden, beginnen sie schnell ihr neues Leben zu genießen. Louise wird von den Kindern vergöttert, putzt die Wohnung, bekocht nicht nur die Familie, sondern manchmal sogar deren Freunde und wird sogar mit in den Urlaub genommen.
Aber schon bald zeigen sich in der Fassade Risse. Es gibt beunruhigende und seltsame Momente mit Louise, die die Eltern aber nicht ernst nehmen wollen, da sie sich nicht vorstellen können auf ihre neugewonnene Freiheit zu verzichten. Louise wiederum, auf die zuhause nur Einsamkeit, eine trostlose Wohnung und Armut warten, möchte nichts lieber als zur Familie gehören und lässt sich dafür bis zu einem gewissen Grad auch ausbeuten – schließlich bedeuten lange Arbeitstage für sie auch, dass sie umso weniger Zeit zuhause verbringen muss.
Der Roman könnte vom Thema her ein Thriller sein, ist aber vielmehr eine sehr scharfe Studie sowohl der menschlichen Psyche als auch des Aufeinanderprallens von zwei sozialen Klassen. Myriam und Paul wollen ihrer Nanny auf Augenhöhe begegnen, aber es kommt dabei nur eine Art von oberflächlicher Gönnerhaftigkeit heraus – an Louises Leben und Sorgen jenseits ihres Jobs als Nanny haben sie nicht das geringste Interesse. Louises Zerrissenheit und psychischen Probleme führen zwar zu irritierenden und beunruhigenden Situationen, aber Myriam und Paul schaffen es doch nicht, sich von ihr zu lösen. Und so steuert der Roman unaufhaltsam auf die finale Katastrophe zu.
„Dann schlaf auch du“ ist ein sehr fesselndes und verstörendes Buch in einem eher nüchternen Schreibstil. Es hat in mir ein sehr beklemmendes Gefühl beim Lesen ausgelöst. Klare Antworten im Sinne von deutlichen Begründungen für die Tat oder zu simple Schuldzuweisungen gibt es nicht. Zwar schwingt auch viel Gesellschaftskritik darin mit, aber der Roman prangert dennoch nicht an. Ein sehr empfehlenswertes Buch, aber alles andere als eine „angenehme“ Lektüre.
Das hört sich wirklich sehr spannend an. Ich möchte eigentlich jetzt schon wissen, wie es zu der Tat – wenn sie denn so stattgefunden hat – gekommen ist. Ich bin mir aber noch unsicher, ob es „leichtlesig“ genug für mich ist.
Merken werde ich es mir aber auf jeden Fall.
Hm, ich würde mal sagen, es ist ist sprachlich leichtlesig, aber nicht thematisch.
Das Buch ist übrigens nicht sehr lang, man kann es also relativ schnell lesen.
Okay, dann wandert es jetzt hochoffiziell auf meine Wunschliste. Danke für deine Einschätzung!