Gegenwartsliteratur Rezensionen

Sigríður Hagalín Björnsdóttir – Blackout Island

erschienen bei Suhrkamp

Von einem auf den anderen Tag wird Island völlig von der Außenwelt abgeschnitten: Schiffe und Flugzeuge kommen nicht mehr zurück, jegliche Kommunikation ist nur noch innerhalb des Landes möglich. Was für eine vorübergehende Störung gehalten wird, dauert an und in dem Chaos sind alle froh, als Innenministerin Elín Ólafsdóttir die Zügel in die Hand nimmt und das weitere Vorgehen bestimmt.

„Blackout Island“ ist ein Gedankenspiel, das sich mit der Frage beschäftigt, was es in unserer globalisierten Welt bedeutet, wenn ein Land plötzlich komplett auf sich gestellt ist. Es fehlt zunächst an Medikamenten und Rohstoffen, bald auch an Lebensmitteln. Soziale Systeme brechen weg, viele Berufe sind auf einmal nichts mehr wert und die Menschen werden gezwungen in die Landwirtschaft zu wechseln. Zum Feindbild werden schnell die Ausländer – seien es nun Touristen, die auf Island gestrandet sind, oder Immigranten, die bereits seit vielen Jahren hier leben -, da die knappen Ressourcen nicht für alle reichen und den „echten“ Isländern vorbehalten sein sollen.

Das ganze wird hauptsächlich aus der Perspektive des Journalisten Hjalti und der seiner Exfreundin María geschildert. Hjalti ist ein Opportunist, wie er im Buche steht, er nutzt seine Bekanntschaft mit Ministerin Elín, um Vorteile für sich herauszuschlagen – bis er irgendwann nicht mehr die Augen vor dem verschließen kann, was um ihn herum passiert. María sieht sich als gebürtige Spanierin und Konzertviolinistin (einem Beruf, der nun völlig nutzlos geworden ist) hingegen schnell mit Ablehnung und schließlich Gewalt konfrontiert.

Das Ergebnis dieses Gedankenspiels ist also denkbar düster und leider trotzdem denkbar. Dass ausgerechnet Island, Sehnsuchtsort und friedlichstes Land der Welt, als Schauplatz eines solchen Szenarios dient, macht das ganze noch einmal erschreckender. Innerhalb kurzer Zeit wird aus einer vermeintlich perfekten Gesellschaft ein Albtraum, in dem Nationalismus und das Recht des Stärkeren regieren. Gegenteilige, sanftere Lebensmodelle, die von einzelnen Gemeinschaften entworfen werden, sind der Regierung bald ein Dorn im Auge.

„Blackout Island“ ist ein beklemmender und trostloser Roman, der nur wenig Lichtblicke zu bieten hat. Ich fand ihn spannend und interessant zu lesen, auch wenn er stellenweise etwas trocken geraten ist.

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