erschienen bei Houghton Mifflin Harcourt
Rose, das jüngste Kind einer armen Familie, war schon immer wild und ungestüm und anders als ihre Geschwister. Als ein riesiger Eisbär auftaucht und Reichtum und Gesundheit für ihre Familie verspricht, wenn Rose mit ihm kommt, lässt sie sich von ihm forttragen in ein verzaubertes Schloss. Dort wird sie Nacht für Nacht vor ein Rätsel gestellt, das sie unbedingt ergründen will – und damit löst sie ungewollt einen Fluch aus. Erneut muss Rose sich auf eine Reise begeben.
„East“ ist eine Adaption des norwegischen Märchens „Östlich von der Sonne und westlich vom Mond“, bei der das Märchen in einen realistischen Hintergrund mit Fantasyelementen eingebettet wird. Die Geschichte wird aus mehreren verschiedenen Perspektiven erzählt: Neben Rose kommen auch ihr Bruder Neddy, ihr Vater, der Eisbär und die Trollkönigin, die für den Fluch verantwortlich ist, zu Wort.
Anfangs fand ich die eher raschen Perspektivenwechsel irritierend, aber als ich mich erst einmal hineingefunden habe, hat es mir ganz gut gefallen, dass die Geschichte aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet wird.
Ich mochte das norwegische Märchen schon immer sehr gern und finde, dass Edith Pattou mit „East“ eine sehr gute Umsetzung gelungen ist. Es handelt sich dabei um eine abenteuerliche Geschichte, die zwar relativ nah am Märchen dran bleibt, aber manchmal gewisse Elemente zugunsten der Stimmigkeit der Handlung abändert. Dadurch wirkt der Roman weitgehend „wie aus einem Guss“ und in sich geschlossen – etwas, das bei einer weiteren Adaption des Märchens unter dem Titel „Ice. Hüter des Nordens“ nicht der Fall war.
Rose ist eine sehr sympathische und energische Heldin, die nicht fehlerfrei ist und dadurch sehr glaubhaft wirkt. Es wird sehr anschaulich beschrieben, wie sie allmählich eine Art Freundschaft mit dem Eisbären schließt und dadurch ist es auch nachvollziehbar, dass sie schließlich alles daran setzt, seinen Fluch zu brechen.
Die anderen Figuren, wie etwa ihr Bruder Neddy, bleiben daneben etwas blass, aber es hat mir dennoch gut gefallen, wie die gesamte Familie von Rose anfangs eine wichtige Rolle spielt. Das erdet die Geschichte gewissermaßen und gibt Rose auch einen Hintergrund, auf dem die Autorin aufbauen kann.
Später kommen einige Nebenfiguren hinzu, die Rose in typischer Märchenmanier für einen Teil ihrer Reise zur Seite stehen. Besonders gut hat mir die kleine Crew rund um einen grummeligen, betrunkenen Seefahrer gefallen.
Einzig der letzte Teil der Geschichte, der im Reich der Trollkönigin spielt, konnte mich nicht ganz überzeugen, da mir hier manches gar zu phantastisch war.
Es hat mich außerdem irritiert, dass „East“ zwar sehr klar in unserer Welt des 16. Jahrhunderts verankert ist – so spielen reale Städte wie Trondheim und La Rochelle eine Rolle, hinter dem Eisbären verbirgt sich eine historische Person und Ländernamen werden in ihrer korrekten norwegischen Form (etwa Tyskland und Fransk) verwendet -, Norwegen aber sehr nebulös als „Njord“ und Einwohner sowie Sprache gleichermaßen als „Njorden“ bezeichnet werden. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich fand es einfach seltsam, dass nur Norwegen hier einen Art „Märchennamen“ erhält.
Abgesehen davon ist „East“ aber ein sehr schöner Jugendroman, der ein phantastisches Abenteuer mit einer klassischen Coming-of-Age-Geschichte verbindet. Gerade jetzt in den Wintermonaten ist er mit seinen nördlichen und eisigen Schauplätzen eine sehr passende Lektüre.