Kinderbuch Rezensionen

Joan G. Robinson – When Marnie Was There

 
erschienen bei HarperCollins
 
 
Anna hat keine Freundinnen und zu ihrer Adoptivmutter ein eher kühles Verhältnis. Als sie wegen ihrer Asthmaanfälle den Sommer über an die Küste geschickt wird, stellt sie sich darauf ein, wieder alleine zu sein. Aber dann lernt sie Marnie kennen, die in einem Landhaus wohnt, das Anna seltsam bekannt vorkommt. Die beiden schließen Freundschaft, aber manches an Marnie ist seltsam. Als eine neue Familie in das Landhaus einzieht, beginnt Anna sich zu fragen, was es tatsächlich mit Marnie auf sich hat.
 
„When Marnie Was There“ ist ein Kinderbuch von 1967, das in England nahezu ein Klassiker, hierzulande aber weitgehend unbekannt ist. Ich selbst bin erst durch den gleichnamigen Anime von Studio Ghibli aus dem Jahr 2014 darauf aufmerksam geworden. Mir hat schon der Film sehr gut gefallen, aber das Buch fand ich doch noch um einiges besser.Es erzählt von Anna, einer Waise, die sich in der Schule und in ihrer Adoptivfamilie immer wie eine Außenseiterin fühlt. Als ihre Probleme sich schließlich sogar auf ihre Gesundheit auswirken, wird sie an die Küste von Norfolk zu Bekannten ihrer Adoptivmutter geschickt. 
Anna wird hier weitgehend sich selbst überlassen, was ihr nur recht ist, da sie sich in Gegenwart anderer stets unwohl fühlt. Aber dann sieht sie in einem alten Landhaus, in das anscheinend erst kürzlich wieder jemand eingezogen ist, Lichter und ein Mädchen in einem der Fenster. Anna kommt das Haus seltsam bekannt vor und sie fühlt sich sofort zu dem Mädchen hingezogen.
Als sie Marnie schließlich kennenlernt, ist mit ihr alles anders als mit anderen Kindern zuvor. Von ihr fühlt Anna sich sofort akzeptiert und es kommt ihr so vor als hätte sie Marnie schon immer gekannt. Die beiden verbringen ihre Tage miteinander, aber Annas neue Freundin scheint von Rätseln und Geheimnissen umgeben zu sein.

Robinsons Roman ist in erster Linie die Geschichte eines Mädchens, das zu sich selbst findet. Die Autorin beschreibt aus Annas Sicht sehr einfühlsam und realistisch, wie es ist, wenn man nie irgendwo dazu gehört. Zwar wird Anna nie bewusst von anderen ausgeschlossen, aber früher oder später landet sie doch immer im Abseits, bis sie schließlich nur noch alleine gelassen werden will. Im Laufe des Romans lernt sie durch Marnie und mehr noch durch die Familie der Lindsays, sich zu öffnen und sich auf andere einzulassen.

Neben dieser Handlungsebene gibt es aber auch noch das Mysterium um Marnie, das sich im Laufe des Romans allmählich auflöst. Das sorgt für Spannung und teilweise auch für eine leicht unheimliche Stimmung.
Anders als bei der Verfilmung, die diese Rätsel und Geheimnisse in den Mittelpunkt stellt, geht es im Roman aber mehr um Freundschaft und um die innere Entwicklung von Anna. Besonders gut haben mir daher auch all die kleinen Szenen gefallen, die Annas Alltag in Norfolk und ihre Interaktion mit anderen Menschen beschreiben. 
Auch die Landschaft und das Dorf werden von der Autorin sehr anschaulich zum Leben erweckt, bis man das Gefühl hat, zusammen mit Anna durch die Dünen zu wandern und über die Marschen zum Landhaus zu blicken.

„When Marnie Was There“ ist eine wunderschöne, leise Coming-of-Age-Geschichte mit einer sehr glaubwürdigen Protagonistin und einer Vielzahl von weiteren, interessanten Figuren. Ein Kinderbuch, das auch Erwachsenen sehr zu empfehlen ist und für mich zu den Lesehöhepunkten dieses Jahres gehört.

3 thoughts on “Joan G. Robinson – When Marnie Was There

  1. Spannend. Ich hab den Film erst letztens kennengelernt und mag ihn gerne, auch wenn er nicht immer ganz logisch ist. Ich wusste gar nicht, dass es eine Buchvorlage gibt, die in England spielt 🙂

    Vinni

    1. Lustigerweise hatte ich beim Film das Gefühl, dass das Setting nicht recht passen will. Als ich mich dann genauer informiert und gesehen habe, dass es auf einem englischen Buch beruht, war ich daher auch gar nicht überrascht.

  2. Ich hatte das Buch schon auf meinen Wunschzettel gesetzt, nachdem du es erwähnt hattest. Nach deiner Rezension möchte ich es nur noch mehr lesen. 🙂

    Ich mochte das Setting im Film, gerade weil ich mich freute, dass mal so etwas wie Dorfleben zu sehen gab, das nicht nur aus ein paar Leuten auf einem Feld bestand, fand aber die eine oder andere Szene zwischen der Protagonistin und den anderen Mädchen etwas seltsam.

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