erschienen bei Klett-Cotta
In diesem Sachbuch stellt Raimund Schulz etwa 2000 Jahre Entdeckungsgeschichte dar, von den Handelsfahrten der Palastkultur über die Eroberungszüge von Alexander dem Großen bis hin zur Expansion in römischer Zeit. Er zeigt, dass schon in der Antike die Menschen erstaunlich mobil waren – und Reisen und Entdeckungsfahrten aus den unterschiedlichsten Motiven stattfinden konnten.
Es ist bemerkenswert, wie umfassend der Autor sich dem Thema nähert. Das Buch beginnt in der Bronzezeit und endet mit dem Untergang des Weströmischen Reiches, gibt aber noch einen Ausblick bis hin zu Kolumbus. Nicht ganz so umfassend ist das Buch im Hinblick auf die behandelten Kulturen: Die Konzentration liegt sehr stark auf dem europäischen Raum und dort, wo Indien und China genauer behandelt werden, geschieht das hauptsächlich aus griechisch-römischer Perspektive. Aufgrund der Quellenlage ist das natürlich verständlich, zumal Raimund Schulz Professor der Alten Geschichte ist. Trotzdem hätte ich noch etwas mehr Blick über den Tellerrand schön gefunden.
Zugegeben – das Buch ist auch so schon ein rechter Klotz. Ich denke daher, dass man schon eine gewisse Affinität zu dem Thema mitbringen muss, um nicht irgendwann das Interesse zu verlieren. Insofern war es vermutlich schon sinnvoll, sich auf einen Kulturraum zu konzentrieren.
Sehr schön finde ich, dass das Buch zeigt, was für unterschiedliche Gründe Menschen schon in der Antike hatten, um in die Ferne aufzubrechen: Wissbegierde, Handelsgeschäfte, der Wunsch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Suche nach Ruhm, das Gefühl eines göttlichen Auftrags – und schließlich auch, aber nicht unbedingt vordergründig, kriegerische Expansion. Und ebenso vielfältig waren die Folgen, die sich aus diesen Entdeckungsfahrten ergaben. Abgesehen von den sehr offensichtlichen wie der Austausch mit Handelsgütern, fand auch ein Austausch von Wissen und von Religionen statt, Naturphänomene wurden untersucht, das Weltbild wandelte und erweiterte sich und beeinflusste Künstler, Schriftsteller und Gelehrte.
Erstaunlich ist auch, wie weit die Menschen schon gekommen sind in einer Zeit, als es noch keinen Kompass gab, man ausschließlich nach Breitengraden navigierte und kartografische Darstellungen noch recht dürftig waren. Der geografische Horizont um Christi Geburt reichte bis zum Niger und Tschadsee, bis nach China, in die sibirischen Steppen und möglicherweise bis Island, auf jeden Fall aber bis zu den Shetland Inseln. Damit unterschied sich die geografische Weltkenntnis in römischer Zeit kaum von jener kurz vor den Fahrten des Kolumbus.
Das Buch ist sehr sorgfältig recherchiert, es gibt ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis sowie zahlreiche Anmerkungen, was sehr erfreulich ist. Kehrseite der Medaille ist, dass Raimund Schulz stellenweise doch sehr wissenschaftlich und etwas umständlich schreibt. Sein Stil ist zwar prinzipiell gut verständlich, aber nicht unbedingt unterhaltsam. Ich hatte dann auch beim Lesen etwa in der Mitte des Buches einen kleinen Durchhänger. Den Beginn fand ich sehr spannend, als es um die Phöniker und die griechischen Fernfahrten ging, sowie um die wahren Quellen hinter den Schilderungen von Wundervölkern und den Fahrten des Odysseus. Als dann Alexanders Feldzug und die Zeit der Seleukiden beschrieben wurde, hatte ich aber das Gefühl, als würde das Buch ein wenig auf der Stelle treten. Zum Ende hin hat sich das zum Glück wieder gebessert, aber leider konnte mich das Buch nicht durchgehend packen.
Alles in allem ist „Abenteurer der Ferne“ sehr interessant und es gibt meines Wissens auch kein vergleichbares Werk, das sich diesem Thema so ausführlich und sorgfältig nähert. Mitunter braucht man beim Lesen aber einen etwas längeren Atem.
Ich glaube nicht, dass ich den langen Atem hätte, auch wenn das Buch interessant klingt. Faszinierend finde ich es ja immer, wie viel Mut diese frühen Entdecker aufgebracht haben, wenn sie ohne eine Vorstellung davon, was sie erwartet, ihre Reise antraten. Übers Land kann ich es sogar noch verstehen, aber in See stechen ohne zu wissen, dass die Wasserfläche wirklich irgendwann endet, dass irgendwo Land, Trinkwasser und Lebenmittel zu finden sind … für mich wäre das definitiv nichts gewesen. 😉