erschienen bei Macmillan
Mitten im Outback an der Grenze zwischen ihren Farmen treffen sich die beiden Brüder Nathan und Bub Bright. Man hat hier die Leiche ihres Bruders Cam gefunden, der an einem Hitzeschlag gestorben ist. Was er hier machte, bei einem alten Grab und einige Kilometer von seinem Auto entfernt, kann sich niemand erklären. Die Suche nach der Antwort bricht Schweigen und alte Familiengeheimnisse auf – und katapultiert Nathan zurück in seine eigene Vergangenheit.
Vor zwei Jahren hat mich Jane Harpers Krimidebüt „The Dry“ begeistert und ich mochte auch den Folgeband „Ins Dunkel“ sehr gern. „The Lost Man“ (auf Deutsch als „Zu Staub“ erschienen) ist nun ein eigenständiger Roman außerhalb der Aaron-Falk-Reihe und meiner Meinung nach der bisher beste Roman der australischen Autorin.
Es ist insofern kein klassischer Krimi, da der Fall nicht als Mord betrachtet wird und die Ermittlungen der Polizei sehr im Hintergrund bleiben. Im Mittelpunkt steht die Familie Bright, allen voran Nathan. Er hat die Familienfarm nach seiner Hochzeit verlassen, steht aber mittlerweile vor den Trümmern seiner Existenz: Seine Frau hat sich von ihm getrennt, den gemeinsamen Sohn im Teenageralter sieht er nur selten, seine eigene Farm steht kurz vor dem Ruin und seit einem Vorfall wird er in der nahen Stadt nicht mehr gern gesehen. Nach dem Tod seines Bruders, der sich kurz vor Weihnachten ereignete, verbringt er nun zusammen mit seinem Sohn Xander die Feiertage bei seiner Familie. Hier versucht er den Ereignissen auf den Grund zu gehen und gräbt dabei nicht nur die Vergangenheit wieder aus, sondern muss sich auch mit seinen eigenen Problemen auseinandersetzen. Dabei hat es mir sehr gut gefallen, dass Nathan zu Beginn zwar einen sehr resignierten Eindruck macht, trotzdem aber noch bereit ist zu kämpfen und sich seinen eigenen Dämonen zu stellen. Seine Charakterentwicklung ist ein Hauptthema im Roman und wirklich gut gelungen.
Auch die anderen Figuren sind überzeugend und vielschichtig gezeichnet, von Nathans jüngerem Bruder Bub, der damit kämpft, dass er nicht ganz ernst genommen wird, bis hin zu den beiden Backpackern, die gerade auf der Farm jobben. Auch Cam und seine Vergangenheit spielen eine große Rolle, obwohl er zu Beginn des Romans bereits tot ist und man ihn daher nur in Erzählungen und Rückblicken anderer Personen kennenlernt.
Schon in „The Dry“ hat es mir sehr gut gefallen, dass das Setting eine so große Rolle spielt und das ist auch hier wieder der Fall. Jane Harper beschreibt die Hitze und Kargheit der Landschaft im südwestlichen Queensland so anschaulich, dass man die sengende Sonne nahezu spüren kann. Es ist kaum vorstellbar, wie einsam und isoliert das Leben dort verläuft, wo die nächsten Nachbarn einige Kilometer weit entfernt sind. Die Autorin wendet den schlauen Kniff an, dass zu Beginn ein Polizist aus Brisbane die Ermittlungen aufnimmt, dem das Leben im Outback auch sehr fremd erscheint. Das gibt ihr die Gelegenheit, die Lebensbedingungen dort einem Außenstehenden – und somit auch den Lesern – auf eine Art und Weise zu beschreiben, die sich sehr natürlich in die Handlung einfügt und keineswegs wie Infodump wirkt.
Auch die Legenden, die sich rund um das alte Grab ranken, bei dem Cams Leiche aufgefunden wurde, tragen zur Atmosphäre bei. Ich fand es außerdem sehr schön, dass Nathan trotz aller Probleme seine Heimat spürbar liebt. Dadurch bekommt man auch ein Gefühl von der Schönheit der Landschaft, so unbarmherzig diese auch sein mag.
Der tatsächliche Kriminalfall ist ebenfalls gut gelungen und spannend zu lesen. Nach und nach setzen sich die Puzzlesteine zusammen, bis es am Ende zu einer stimmigen Auflösung kommt. Ich hätte mir zwar gewünscht, dass das Ende etwas mehr Raum bekommt, da ich manche Aspekte etwas zu schnell abgehandelt fand (vor allem im Kontrast zur sonst sehr ruhigen Erzählweise), aber das ist schon jammern auf hohem Niveau. Dieser Roman war eines meiner Lesehighlights in diesem Jahr!
Oh, schön zu hören, dass dir dieser Roman so gut gefallen hat! Ich war etwas enttäuscht, als ich mitbekam, dass es kein Aaron-Falk-Krimi ist, denn davon hätte ich gern noch mehr gelesen. Was dann der Grund dafür war, dass ich mir das Buch nicht sofort besorgt habe, als ich davon hörte. Jetzt zu lesen, dass „The Lost Man“ eins deiner Lese-Highlights des Jahres war, macht mir richtig Lust auf den Krimi. (Und ich sehe gerade, dass das englische eBook gerade wirklich günstig ist. *g*)
Ich war zuerst auch enttäuscht, dass es kein Aaron-Falk-Krimi ist und war mir nicht mal sicher, ob ich diesen Roman lesen möchte. Aber da das engliche eBook in der Bücherei verfügbar war und es beim diesjährigen Lesebingo die Kategorie „Ein Buch, das mit Australien zu tun hat“ gibt, habe ich doch mal begonnen. Und dann bin ich gleich hineingezogen worden. Ich hoffe, dass er dir ebenso gut gefällt!