Gegenwartsliteratur Rezensionen

Delphine de Vigan – Die Kinder sind Könige

erschienen bei Dumont

Mélanie hat Millionen von Followern auf Youtube und Instagram, wo sie mit ihren beiden Kindern die perfekte Familie präsentiert. Doch dann verschwindet ihre Tochter Kimmy kurz nach dem Erscheinen einer Instagramstory und bringt die heile Welt von Mélanie ins Wanken.

Delphine de Vigan spricht mit diesem Roman sehr aktuelle und wichtige Themen an: die Inszenierung von Kindern in sozialen Medien, Datenschutz und Privatsphäre, auch die Scheinwelt, die in Social Media präsentiert wird. Diese Themen werden aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Zum Einen ist da Mélanie, die schon seit ihrer Jugend von Reality Shows fasziniert ist, die geliebt und gesehen werden will und dem Erfolg ihres Youtube-Kanals alles andere unterordnet. Zum Anderen die Polizistin Clara, die sich Social Media weitgehend verschließt. Im Zuge der Ermittlungen befasst sie sich genauer mit Mélanies Videos und ist schockiert, wie nahezu das gesamte Leben der Kinder Kimmy und Sammy festgehalten und für Social Media inszeniert wird.

Mir hat „Die Kinder sind Könige“ anfangs sehr gut gefallen, aber leider hat meine Begeisterung im Laufe des Romans nachgelassen. Ich dachte, dass die Entführung Mélanie und ihren Mann vor schwierige Fragen stellen und sie zum Nachdenken bringen wird – und mit ihnen auch die Leser. Allerdings wird die Entführung dann recht abrupt aufgelöst und der Roman macht einen Sprung etwa 20 Jahre in die Zukunft. Das erlaubt es der Autorin zwar, die langfristigen Auswirkungen auf Kimmy und Sammy zu zeigen, gab mir aber mehr und mehr das Gefühl, dass Handlung und Figuren in diesem Roman nur Mittel zum Zweck sind. Delphine de Vigan will hier eine Botschaft anbringen – und diese Botschaft ist auch richtig und wichtig. Aber sie wird dermaßen mit dem Holzhammer serviert, dass kaum mehr Raum für eigenes Denken und zur kritischen Reflexion bleibt. Mir kamen außerdem die Figuren überhaupt nicht wie mehrdimensionale Charaktere, sondern wie reine Träger der Botschaft vor.

Ich fand außerdem die Darstellung von Mélanie, die das wandelnde Klischee einer geltungssüchtigen Influencerin ist, zu einseitig. Das lädt meiner Meinung nach nicht wirklich zum Hinterfragen des eigenen Social Media-Verhaltens und -Konsums ein, da sie ein solches Extrembeispiel darstellt, dass sie nicht wirklich als Spiegel für die Gesellschaft funktioniert.

Obwohl ich also die Thematik von „Die Kinder sind Könige“ wichtig finde und die erste Hälfte des Romans sehr gern gelesen habe, waren mir die Figuren zu flach und stereotyp, die Handlung zu sehr der Aussage untergeordnet. Etwas mehr Subtilität und Graustufen hätten der Geschichte meiner Meinung nach gut getan.

2 thoughts on “Delphine de Vigan – Die Kinder sind Könige

  1. Oh, schade – das Thema ist eigentlich wirklich wichtig und böte auch viel Raum für einen spannenden Roman mit interessanten und vielschichtigen Figuren mit Entwicklungspotential. Aber wenn Figuren keine lebendig wirkenden Charaktere, sondern wirklich mehr (Papp-)Figuren sind, die eine Botschaft rüberbringen sollen, mag ich das auch nicht.

    1. Die erste Hälfte fand ich noch ziemlich gut, aber dann bekam ich immer mehr den Eindruck, dass die Figuren gar keinen richtigen Charakter hatten und die Handlung eigentlich außer der Botschaft nicht viel hergibt.

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