Jugendbuch Rezensionen

Jacqueline Wilson – Vicky Angel

Genre: Jugendbuch
Verlag: AudioGO Ltd.
Dauer: 4 Stunden 16 Minuten (ungekürzte Lesung)
gelesen von: Eve Best
ISBN: 9780754065616
Meine Bewertung: 5 von 5 Sternchen

„Bücher, die man gelesen haben muss“-Challenge

 

Jade ist daran gewöhnt, alles zusammen mit ihrer besten Freundin Vicky zu machen und sich bei allen Entscheidungen den Wünschen ihrer recht dominanten Freundin zu fügen. Als Vicky bei einem Autounfall stirbt, weiß Jade nicht, wie sie jetzt ihr Leben weiterleben soll. Deshalb ist sie zunächst überglücklich, als Vicky ihr erscheint und auch als Tote weiterhin die Dinge in die Hand nimmt.  Doch mit der Zeit fühlt Jade sich von Vickys Präsenz erdrückt und sie merkt, dass sie einen Weg finden muss, sich von ihrer Freundin zu lösen.
 
Wow. Was für ein Buch. Als ich beschlossen habe, einen Roman von Jacqueline Wilson für die Challenge zu lesen, da die Autorin gleich viermal auf der 100 Books-Liste vertreten ist, habe ich nicht damit gerechnet, auf so einen beeindruckenden Roman zu stoßen. Ihre anderen Bücher klangen eher nach locker-spritzigen Lektüre, daher habe ich bei „Vicky Angel“ trotz des ernsten Themas nicht mit einem so beklemmenden Roman gerechnet.
Daher auch gleich eine „Warnung“ an alle, die sich für den Roman interessieren: Lasst euch von dem kindlichen und eher witzig wirkenden Cover nicht täuschen! In „Vicky Angel“ geht es um Tod, Trauer, Beeinflussung, Schuldgefühle und eine Freundschaft mit sehr bedenklichen Tendenzen – und das alles ohne Pathos oder erhobenen Zeigefinger!
 
Jade, die stets im Schatten ihrer selbstbewussten und oft auch manipulativen Freundin stand, kann sich auch nach dem Tod nicht von diesem Einfluss lösen und droht sich zeitweise selbst ganz zu verlieren. Ob man Vicky nun als real und den Roman somit teilweise als phantastisch betrachtet oder sie als eine Halluzination von Jade sieht, bleibt den Lesern selbst überlassen – auch wenn ich es ganz klar als die zweite Variante interpretiert habe.
Es sind vor allem zwei große Themen, die Jacqueline Wilson in diesem Roman sehr beeindruckend umsetzt: Einerseits die Trauer um einen geliebten Menschen und andererseits eine Freundschaft mit einem sehr starken Machtgefälle.
Beides wird so einfühlsam und nachvollziehbar beschrieben, dass mich das Lesen stellenweise sehr aufgewühlt hat. Zwar machen Jades Schuldgefühle (da sie vor Vickys Tod mit ihr einen Streit hatte) aus Vicky eine noch wütendere und dominantere Person als sie tatsächlich war, aber trotzdem wird deutlich, wie stark Vicky Jade auch vor ihrem Tod beeinflusst und manchmal nahezu unterdrückt hat. Jacqueline Wilson schafft aber das Kunststück, dennoch durchschimmern zu lassen, wieviel die beiden Mädchen einander bedeutet haben. Vicky wirkt teilweise zwar wie ein egoistisches Miststück, aber man kann sie keinesfalls darauf reduzieren.
Ebenso differenziert sind auch viele der Nebenfiguren dargestellt, vor allem Jades Mutter, die man recht schnell in eine Schublade einordnet, die einen aber dann doch immer wieder überrascht.
Natürlich bleibt aufgrund der Kürze des Romans nicht sehr viel Raum für Nebenfiguren oder Nebenplots und so konzentriert Wilson sich doch in erster Linie auf Jade, mit der man von der ersten Sekunde an mitfühlt, und ihre Entwicklung, die sie im Laufe der Zeit durchmacht.
 
Das Hörbuch wird von Eve Best sehr sensibel und mit einem äußerst charmanten britischen Akzent gelesen. Wenn sie Vicky als Geist spricht, wird ein kleiner Hall hinzugefügt, der mich anfangs ein wenig irritiert hat, der aber letztendlich doch gut passt. Toll fand ich es, wie laut und energisch und nahezu nervig sie als Vicky ihre Stimme erhebt, da man auf diese Weise wunderbar nachvollziehen kann, wie es Jade geht: Sie kann Vicky unmöglich ausblenden und sich neben ihr kaum auf etwas anderes konzentrieren.
Ich kann das Hörbuch also sehr empfehlen; umso mehr, da es sich ja um eine ungekürzte Fassung handelt.
 
Egal, ob als Hörbuch oder als gedruckter Roman, ich kann euch „Vicky Angel“ nur wärmstens ans Herz legen. Erwartet euch aber keine gemütliche Unterhaltung zwischendurch. Denn auch wenn letztendlich ein positiver Grundton überwiegt, ist der Roman über große Strecken sehr aufwühlend und beklemmend.
Erneut also ein Buch, das sich seinen Platz auf der Liste meiner Meinung nach mehr als verdient hat!

 

7 thoughts on “Jacqueline Wilson – Vicky Angel

  1. Du hattest ja schon angedeutet, wie gut dir das Buch gefallen hat. Nach deiner begeisterten Rezension freu ich mich noch mehr darauf "The story of Tracy Beaker" zu lesen – "Vicky Angel" gab es in der Bibliothek leider nicht. 🙂

    1. Ich bin mal gespannt, was du von "Tracy Beaker" hältst. Da hatte ich auch in die Hörprobe reingehorcht und das dürfte doch sehr anders sein als "Vicky Angel".

    2. Ihre Bücher scheinen ja eh sehr unterschiedlich zu sein. Aber eigentlich bin ich gerade deshalb neugierig auf Tracy – von "Vicky Angel" habe ich ja nun schon durch dich einen kleinen Eindruck bekommen. 😉

  2. Oha, das klingt aber wirklich anders, als der erste Eindruck vermittelt! Hast du das ausgeliehen oder von Audible?
    Muss mal gucken, ich wollte ja auch noch was von ihr lesen – wird wohl auch auf "Vicky Angel" rauslaufen, da es das und Tracy Beaker bei uns in der Stadtbibliothek gibt, aber letzteres reizt mich vom Klappentext her nicht so (warum heißt die auf deutsch eigentlich "Baker"?).

    1. Ich hatte es von Audible – dort hab ich nämlich einfach mal nach Hörbüchern von der 100 Books-Liste gesucht, da sich derzeit meine Guthaben stapeln. *gg*
      Tracy Beaker heißt auf Deutsch Tracy Baker? Das ist … seltsam …

  3. Ui, das klingt aber gut! Ich hatte ja für die Challenge von Jacqueline Wilson "Double Act" gelesen. Hat mir sehr gut gefallen, ist aber definitiv ganz anders als dieses Buch hier. Mal sehen, vielleicht nehm ich mir das ja dann auch als Hörbuch vor, wenn es dich in dieser Form so begeistert hat. 🙂

    1. Also ich finde, dass es sich als Hörbuch sehr gelohnt hat.
      Ich muss aber auch zugeben, dass ich eine Schwäche für britisches Englisch habe, was mich wohl zusätzlich positiv gestimmt hat (die meisten englischen Hörbücher sind ja sonst leider aus Amerika).

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