Jugendbuch Phantastisch Rezensionen

Michael Ende – Die unendliche Geschichte

ungekürztes Hörbuch (15 h 6 min)
gelesen von Gert Heidenreich
erschienen bei HörbucHHamburg

woher: Audible

In einem Antiquariat findet der Außenseiter Bastian ein ledergebundenes Buch, das ihn magisch anzuziehen scheint. Er vergräbt sich damit auf dem alten Dachboden seiner Schule und taucht ein in die Welt von Phantásien, die von dem Nichts bedroht wird. Er verfolgt die Abenteuer von Atréju, der ausgeschickt wird, um Phantásien zu retten. Doch bald scheint es, als wäre „Die unendliche Geschichte“ mehr als nur ein Buch und als könnte Bastian auf das, was in Phantásien geschieht, Einfluss nehmen.
 
Dieser Roman begleitet mich bereits seit meiner Kindheit. Kennengelernt habe ich Phantásien zunächst durch den Film, den ich unzählige Male gesehen habe, bis ich schließlich mit neun oder zehn Jahren erstmals das Buch gelesen habe. Damals war ich fürchterlich enttäuscht, dass ich nicht wie Bastian selbst in das Buch gelangen konnte, aber die Geschichte hat mich dennoch schnell in ihren Bann gezogen. Ich habe den Roman als Jugendliche noch einige Male gelesen, seither jedoch nicht mehr. Die Geschichte nun in der Hörfassung neu für mich zu entdecken, war ein ganz besonderes Erlebnis.
 
„Die unendliche Geschichte“ ist in mancherlei Hinsicht ein sehr klassischer Fantasyroman, zugleich aber auch etwas ganz eigenes. Es gibt fantastische Landschaften, Städte und Wesen, die ihresgleichen suchen und auch abseits von der Verfilmung sehr starke Bilder im Kopf erzeugen. Michael Ende zündet hier ein wahres Feuerwerk an Ideen, die manchmal eine märchenhafte, manchmal aber auch eine recht skurrile Stimmung erzeugen. 
Die Suche, auf die sich der junge Krieger Atréju macht, ist eine klassische Queste, aber nur der Beginn einer viel größeren Geschichte, in der es weniger um Phantásien geht, als vielmehr um die Charakterentwicklung von Bastian.
Dieser kommt als schüchterner, ängstlicher Junge in die fantastische Welt, wo er sich endlich als der Held fühlen kann, der er schon immer gern gewesen wäre. Aber der ungeahnte Ruhm steigt ihm dermaßen zu Kopf, dass er sich zu vieles wünscht und den Spruch auf dem Medaillon AURYN „Tu, was du willst“ gänzlich falsch versteht. Er muss erst hart auf dem Boden aufschlagen, ehe er begreift, dass es nicht darum geht, das zu tun, worauf er gerade Lust hat, sondern seine wahre, innerste Sehnsucht zu erkennen.
 
Ich habe über die Jahre beinahe vergessen, wie weit Bastian vom Weg abkommt und wie selbstsüchtig er zwischendurch wird. Trotzdem kann Michael Ende immer noch genug Verständnis für Bastian wecken, dass er nicht alle meine Sympathien verloren hat. Man darf auch nicht vergessen, dass es sich bei ihm um ein Kind handelt, das stets nur ausgegrenzt wurde und sich endlich Anerkennung und Bewunderung wünscht.
 Diese Entwicklung von Bastian ist es auch, was „Die unendliche Geschichte“ zu mehr als nur einem spannenden Fantasyroman macht. Es gibt nur wenige Bücher, die sich so sehr auf das Innere einer Figur konzentrieren und daneben trotzdem noch von einem großartigen Abenteuer erzählen. Denn neben Bastians Entwicklung geht es vor allem um die Macht der Fantasie und wie wir diese oft als Erwachsene verlieren.
 
„Die unendliche Geschichte“ wird hauptsächlich aus der auktorialen Perspektive erzählt und hat auch dadurch einen gewissen märchenhaften Ton. Das und auch die Tatsache, dass Michael Ende sich sehr viel Zeit nimmt, um seine Welt zu entfalten und vor den Lesern auszubreiten, hebt den Roman doch von aktueller Jugendfantasy ab. Ich persönliche mag den Erzählstil von Michael Ende sehr gern, könnte mir aber vorstellen, dass Kinder und Jugendliche sich heutzutage erst einmal ein wenig hineinfinden müssen.
 
Die Lesung von Gert Heidenreich passt perfekt zu dem Roman, ist aber meiner Meinung nach nicht so sehr für eine erste Begegnung mit Phantásien geeignet. Die Kapitelillustrationen und die unterschiedlichen Schriftfarben in der gedruckten Ausgabe verleihen der Geschichte einfach das gewisse Etwas. Für eine erneute Begegnung mit dem Roman war die Hörbuchfassung aber gut geeignet und es hat mir sehr viel Freude bereitet, der Lesung zu lauschen.

6 thoughts on “Michael Ende – Die unendliche Geschichte

  1. Ave,
    Die unendliche Geschichte muss ich auch dringenst noch lesen. Ich hätte sie mir neulich fast gekauft, aber die Ausgabe, über die ich gestolpert bin, war mir preislich dann doch ein wenig zu happig.
    Dass sie aber eine derartige Charakterwandlung beinhaltet, wusste ich bislang nicht. Somit hast du mir also einen weiteren Anreiz geliefert, sie endlich mal zu lesen…

    Mit freundlichen Grüßen,
    Seitenfetzer

  2. Ich muss ja gestehen, dass ich wirklich ein Problem mit Bastian habe und deutlich weniger Verständnis für ihn als du. Aber es gibt so viele andere tolle Figuren und so viele schöne Ideen in der "unendlichen Geschichte", dass ich letztendlich immer wieder gern nach Phantásien zurückkehre. 🙂

    Gert Heidenreich ist als Sprecher wirklich toll! Ich liebe auch seinen Vortrag von "Der Hobbit" – da beweist er, dass er auch mit den ganzen Zwergenlieder gut zurechtkommt. 🙂

    1. Ich habe einfach darüber nachgedacht, was es bedeutet, einem zehnjährigen Kind, das gemobbt wird und zuhause keinen Rückhalt erfährt, eine solche Macht zu geben, wie es in Phantásien geschieht und ihm zu sagen "Wünsch dir, was du willst und umso mehr Wünsche du hast, umso besser". Gewissermaßen ist das, was dann geschieht, wirklich vorprogrammiert.

      Ich überlege derzeit, ob ich mir die "Herr der Ringe"-Hörbücher bei Audible kaufen soll. Da liest Gert Heidenreich Band 2 und 3 (der 1. hat leider einen anderen Sprecher) und ich kann ihn mir dafür sehr gut vorstellen. Die englischen Hörbücher mit Rob Inglis wären allerdings auch verlockend (ihn kenne ich auch schon vom englischen Hobbit-Hörbuch).

    2. Damit hast du vermutlich recht, aber ich kann Bastian trotzdem nicht leiden. 😀 Ich finde es spannend, dass ich als erwachsene Leserin sehr viel weniger Geduld mit solchen kindlichen (oder jugendlichen) Protagonisten habe, als ich es als Jugendliche hatte.

      Dass ein anderer Sprecher den ersten Teil liest, ist wirklich ärgerlich. Da würde mich eine gute englische Umsetzung vermutlich auch mehr reizen.

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