Rezensionen Sachbuch

Aude de Tocqueville – Atlas der verlorenen Städte

erschienen bei Frederking & Thaler

Zufallsfund; woher: Thalia

Aude de Tocqueville beschreibt in diesem Buch an die fünfzig „verlorene“ Städte. Diese reichen von alten Ruinen wie etwa Tikal und Pompeji über amerikanische Städte aus der Zeit des Goldrauschs bis hin zu einer modernen Fehlplanung wie Seseña. Die Autorin erzählt von ihrer Entstehung und ihrem Untergang und von einzelnen Momenten aus ihrer Geschichte.
Das großformatige Buch ist mir durch seine äußerliche Ähnlichkeit zu Judith Schalanskys Atlas der abgelegenen Inseln ins Auge gesprungen und nach einem kurzen Durchblättern habe ich es trotz des recht stolzen Preises von knapp 30 Euro gekauft.
Das Buch ist auch tatsächlich sehr hübsch gestaltet mit Illustrationen von Karin Doering-Froger. Es ist in Kontinente unterteilt, wobei jeder Abschnitt mit einer Übersichtskarte des jeweiligen Kontinents beginnt. Bei den einzelnen Städten gibt es dann auf einer Seite Text sowie eine Mini-Karte, auf der man noch einmal die Lage der Stadt erkennen kann und auf der anderen Seite eine Detailkarte mit einer stilisierten Zeichnung der Stadt.

In einer Rezension wird bemängelt, dass im Buch keine Fotografien oder genauen Zeichnungen enthalten sind, aber das hat mich persönlich nicht gestört. Mir gefallen die Illustrationen von Karin Doering-Froger sehr gut, da sie auf ihre Weise einzigartig sind. Fotos der Städte lassen sich ohne großen Aufwand googlen oder auf dem Smartphone betrachten, aber die verwendeten Bilder vermitteln den Eindruck einer sehr liebevollen Gestaltung des Buches.
Mir hat die Auswahl der Städte gut gefallen, da sie sehr abwechslungsreich ist und auch einige mir bislang gänzlich unbekannte Orte enthält. Schade nur, dass Australien gänzlich übergangen wird.
Die Texte an sich sind zwar kurzweilig, aber stellenweise etwas trocken geschrieben. Ich habe weiter oben den „Atlas der abgelegenen Inseln“ genannt und anders als bei diesem hatte ich hier nicht so sehr das Bedürfnis, mich genauer über die Orte zu informieren und deren Geschichte tiefer nachzulesen.
Dennoch hätte mir das Buch an sich ganz gut gefallen, wären da nicht zahlreiche Schlampigkeiten bei den Karten gewesen. Es hat damit begonnen, dass Leptis Magna auf der Übersichtskarte (nicht aber auf der Detailzeichnung) von der Mittelmeerküste mitten hinein in die Wüste verlegt wird. Eine ähnliche Umplatzierung ist bei Hattusa passiert, das etliche Kilometer in den Südosten gewandert ist. 

Gänzlich konfus wurde die Sache dann aber bei Colesbukta. Die Minenstadt, die auf Spitzbergen liegt, wird im Text in den „Norden Norwegens“ verortet, was meiner Ansicht nach nicht richtig formuliert ist. Man würde ja schließlich auch Funchal auf Madeira nicht mit „im Süden von Portugal“ bezeichnen. Immerhin aber liegt im Text die Stadt korrekterweise am Isfjord auf Spitzbergen. Auf der Überblickskarte ist sie dagegen weder auf Spitzbergen noch im Norden Norwegens eingezeichnet, sondern in Südnorwegen in der Provinz Møre og Romsdal. Analog dazu ist sie auch auf der Detailkarte am Romsdalsfjord bei Åndalsnes gelandet.


Und als wäre das noch nicht genug, ist schließlich auch noch Prypjat auf der ganz kleinen Übersichtskarte von der Ukraine nach Russland – annähernd an die Küste der Barentssee – gewandert.

Natürlich, ein einzelner Fehler kann mal vorkommen, aber in Summe ist das schon eine ziemliche Frechheit. Noch dazu frage ich mich nun, wieviele Fehler mir vielleicht gar nicht aufgefallen sind, da ich bei vielen Städten schlicht nicht weiß, wo genau sie sich befinden sollen.

So schön ich also die Idee dieses Buches finde und so gut mir einzelne Aspekte auch gefallen haben – ich habe es mit einem sehr unzufriedenen Gefühl zugeklappt. Besonders das Chaos der Platzierung von Colesbukta ist ein massiver Fehler, der so nicht durchs Lektorat rutschen dürfte.

7 thoughts on “Aude de Tocqueville – Atlas der verlorenen Städte

  1. Sieht so aus, als wäre Colesbukta eine "wandernde" Stadt. Oo Nur gut, dass niemand nach dem Buch navigieren muss, sonst wäre es noch ärgerlicher als es eh schon ist. Solche schlampigen Details lassen mich auch immer an dem restlichen Inhalt eines Buches zweifeln. Schade, dass ein anscheinend sonst sehr ansprechende Buch solche offensichtlichen Fehler beinhaltet!

    1. Tja, kein Wunder, dass die Stadt nun verloren ist. 😉
      Es ist aber wirklich ärgerlich. Das sind immerhin vier falsche Platzierungen, die mir aufgefallen sind und das spricht dann schon dafür, dass nicht gerade sorgfältig gearbeitet wurde. Schade drum.

  2. Gibt's eine Verlags-E-Mail-Adresse? Da könnte man das als Hinweis doch mal hinschicken 😉

    Schade, dass die Karten so schlampig sind – ich hab auch den Atlas der abgelegenen Inseln und fände etwas in der Art für Städte sehr reizvoll… aber richtig sollte es natürlich schon sein :p

    1. Ja, im Impressum ist eine Email-Adresse für "Kritik, Korrekturen und Aktualisierungen" – da möchte ich auf jeden Fall noch hinschreiben. Ich wollte nur vorher auf die anderen Städte auch nochmal einen genaueren Blick werfen.

    2. Achso, was ich noch zum Atlas der abgelegenen Inseln schreiben wollte: Der ist von der Art der Texte her doch recht anders. Dabei hätte ich es auch schön gefunden, wenn dieses Buch hier mehr in die Richtung gegangen wäre.

  3. Das ist aber schade mit den wandernden Orten. So sind sie tatsächlich "verloren". In einem Buch, dessen Hauptthema die Beschreibung und Verortung solcher Städte ist, sollte man doch mehr erwarten dürfen.

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