Kinderbuch Klassiker Rezensionen

Selma Lagerlöf – Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden

erschienen bei Die Andere Bibliothek
übersetzt von Thomas Steinfeld

woher: Buchhandlung Kuppitsch

Nobelpreis-Challenge

 

 
Um 1900 beschloss der Verband der schwedischen Volksschullehrer, die veralteten Lesebücher durch neue zu ersetzen. Die Schriftstellerin Selma Lagerlöf wurde damit beauftragt, den Band über Land und Leute Schwedens zu schreiben. Aus den geplanten 200 Seiten wurden knapp 700 und dennoch scheint es, als hätte die Autorin sich zum Ende hin deutlich kürzer gefasst als geplant.
Deutsche Übersetzungen gab es einige, aber erst diese von Thomas Steinfeld aus dem Jahr 2014 ist vollständig. Zwar wurde auch schon eine frühere Übersetzung von Pauline Klaiber-Gottschau als ungekürzt bezeichnet, allerdings wurde auch dort moderat gekürzt und einige Stellen abgeändert, um sie etwas moralischer zu gestalten.
 
Ich kann mir vorstellen, dass der Roman in diesem Umfang heutzutage Kinder wohl nicht mehr so sehr anspricht, aber mir hat er sehr gut gefallen. Natürlich erkennt man beim Lesen den Bildungsauftrag dahinter, aber ich fand es sehr beeindruckend, wie Selma Lagerlöf eine Beschreibung des Landes in der Handlung verpackt.
Die Grundzüge der Geschichte sind den meisten vermutlich von der Zeichentrickserie bekannt: Der faule und brutale Junge Nils wird in einen Wichtel verwandelt und schließt sich mitsamt der Hausgans Mårten einer Gruppe von Wildgänsen an. Diese reisen unter der Führung der weisen Gans Akka von Kebnekaise in den Norden nach Lappland.
Diese Reise dient als roter Faden, da die Struktur des Romans ansonsten eher episodenhaft ist: Nils erlebt alle möglichen Abenteuer, hilft Tieren und Menschen in Not mit einigem Einfallsreichtum und lernt währenddessen Schweden kennen. Es werden kleine Sagen und Märchen eingeflochten, um die Entstehung bestimmter Landschaften oder die Geschichte einer Gegend zu erklären.
 
Das ist nun nicht rasend spannend und ich habe den Roman auch über einen sehr langen Zeitraum gelesen. Allerdings bedeutet das nicht, dass ich mich dabei gelangweilt hätte. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, immer wieder ein paar Kapitel zu lesen und Nils auf seiner Reise zu begleiten. Wie Selma Lagerlöf hier die Geographie und Bräuche von Schweden auf eine unterhaltsame Weise verpackt, ist wirklich meisterhaft. Nicht nur schwedische Schulkinder haben hier wohl eine ganze Menge gelernt, auch ich habe Schweden zusammen mit Nils intensiv kennengelernt.
Neben der Landeskunde werden auch klare pädagogische Botschaften vermittelt. So wandelt Nils sich vom Nichtsnutz und Tierquäler zu einem verantwortungsvollen Jungen, der auch nicht davor zurückschreckt, sich für andere in Gefahr zu begeben. Es gibt meistens eine recht eindeutige Trennung in Gut und Böse und viele der Episoden enthalten eine moralische Botschaft. 
Mich hat das beim Lesen aber nicht gestört – einerseits wohl deshalb, weil ich den Zweck des Buches kannte und andererseits auch, weil Selma Lagerlöf sie auf eine angenehme Weise vermittelt.
Sehr schön ist auch die bildhafte Sprache, die die Schönheiten der Natur und der Städte sehr lebhaft schildert. Manchmal arbeitet die Autorin mit Stilmitteln des Märchens wie Wiederholungen oder in den entsprechenden Episoden mit einem etwas altertümlichen Sagenton.
 
Zum Lesevergnügen trug auch die wunderschöne Ausgabe bei, die ich hier schon genauer vorgestellt habe. Die Karte ist sehr hilfreich, um Nils‘ Reise zu verfolgen und sich zu orientieren und die Illustrationen von Bertil Lybeck sind ganz zauberhaft.
Wie ich oben schon erwähnt habe, hat es den Anschein, als hätte die Autorin kürzen (oder sich beim Schreiben beeilen) müssen, da sie am Ende nur so durch die verbleibenden Landschaften hindurchfegt. Daher ist dieser beachtliche Wälzer auf eine gewisse Weise sogar noch zu kurz – ich hätte mir durchaus gewünscht, auch den Westen von Schweden ausgiebig kennenzulernen.
Dennoch ist der Roman in sich eine runde Sache mit einem bittersüßen Ende, in dem trotz des guten Ausgangs ein erstaunlich melancholischer Unterton mitschwingt.
 
„Nils Holgersson“ ist kein Buch, das mich pausenlos gefesselt hat, aber trotzdem hat mir diese Reise sehr viel Freude bereitet. Und der große Vorteil zur Fernsehserie: kein nerviger Hamster!

17 thoughts on “Selma Lagerlöf – Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden

  1. Alles in allem klingt das schon so, als ob ich auch mal reinlesen sollte – ich glaube, ich kenne die Geschichte nur in Schlagwörtern… Deine Ausgabe ist natürlich sehr schön; ich muß mal schauen, ob die preiswerte Anaconda-Alternative auch Illustrationen hat.

  2. Das paßt zu dem, was ich noch so im Hinterkopf habe. Das Buch wird nicht nur heutigen Kindern nicht extrem gut gefallen, ich habe es vor ca. 40 Jahren als Kind gelesen….mehrfach angefangen, immer wieder abgebrochen. Und das war bei mir als Bücherfresser eigentlich eine absolute Ausnahme.Schon das erste Kapitel, als die Eltern in die Kirche gehen und bis der Wichtel erscheint, zieeeeht sich. Und bei mir war es auch ein Wälzer mit sehr kleiner Schrift. Ist das später gekürzt worden?
    Ich denke, dass man das Buch gut als Erwachsener in die Hand nehmen kann, immer wieder mal ein Kapitel liest, aber so lesen Kinder nicht. Da muss ein wenig action sein, es braucht ständige Animation, das bietet dieses Buch KIndern nicht wirklich. Aber wer weiß…jetzt hast du mich drauf aufmerksam gemacht, vielleicht gebe ich mir das irgendwann nochmal. Danke für die Rezension!

    1. Nein, das ist von Anfang an in der deutschen Übersetzung gekürzt worden – mal mehr, mal weniger. In der Übersetzung von Pauline Klaiber-Gottschau z.B. wurde "nur" etwa ein Achtel rausgekürzt – da bleibt immer noch ein Wälzer von etwa 600 Seiten übrig. 😉

      Ich weiß nicht, wie es mir damit gegangen wäre – da ich Reiseplots schon immer geliebt habe und mich als Kind selten bei Büchern gelangweilt habe, hätte es mir vielleicht sogar gefallen. Eine Bekannte von mir hat es mit ihrem Kind als Gutenacht-Lektüre gelesen: immer ein bis zwei Kapitel vor dem Schlafen und ihr Kind mochte es. Aber das ist vielleicht eher die Ausnahme.

    2. Wenn Du nächstes Jahr wieder eine NP-Challenge machst, merke ich es mir dafür definitiv vor. Ich hab gestern irgendwo gelesen, die gekürzten Fassungen würden der Schönheit der Geschichte nicht gerecht. Nun bin ich ja doch neugierig geworden, aber in diesem Jahr wird das nix mehr, das ist doch vom Umfang her gewaltig.

    3. Tjaaaa, wenn ich das wüsste mit nächstes Jahr. Eigentlich wollte ich mir für 2016 gar keine Challenges vornehmen, weil ich genug eingespannt sein werde mit der Ausbildung und mit Jobsuche, aber inzwischen reizt es mich doch, die Nobelpreischallenge erneut zu verlängern.

    4. Wenn Du es definitiv nicht schaffst, springe ich auch mal ein Jahr ein, das wäre kein Problem. Sie ist nicht so stressig und ich finde wirklich, dass sie wert wäre, am Laufen gehalten zu werden. Du hast ja noch Zeit zum Überlegen.

    5. Ich finde auch, dass die Nobelprei-Challenge in irgendeiner Form weiterlaufen sollte – schon allein, damit ich auch meinen Hintern hochbekomme und zumindest ein paar Nobelpreisträger pro Jahr abarbeite. 😉 Insofern schon mal lieben Dank, Devona, dass du einspringen würdest, falls es Neyasha zeitlich zu viel wird. 🙂

    6. An sich würde ich ja eh auch gern wieder – mal sehen, ob ich das nicht überhaupt zu einer Langzeit-Challenge mache, aber mit einer jährlichen Mindestzahl an Büchern oder so. Ich muss mir das mal noch genauer überlegen.

    1. Ja, die Bücher von dem Verlag sind echt schön. Ich hätte gern auch noch "Gösta Berling" von Lagerlöf, aber das ist mir leider zu teuer. Der Nils war ja verbilligt und entsprach normalen Hardcover-Preisen (24,90 für so einen Wälzer mit Illustrationen ist kein Grund zur Klage :-)).

  3. Ich habe ja mal einen Teil von "Nils Holgersson" als kostenlose Hörbücher gehört. Das fand ich schon nett, kann dabei auch deine Eindrücke teilen. Leider wurde bei Audible die Nils-Eigenproduktion nicht weitergeführt. sodass ich wohl doch zum Buch werde greifen müssen. Ich hab das Buch in der Übersetzung von Mathilde Mann, die wird dann wohl auch gekürzt sein …

  4. Kein nerviger Hamster 😀 also ich fand den gar nicht so schlimm. Der war doch süß!

    Ich habe mit zehn Jahren mal versucht, das Buch zu lesen, bin aber nicht weit gekommen, weil ich es irgendwann langweilig fand. Inzwischen müsste ich alt genug sein, um es wirklich zu verstehen, vielleicht probier ich es wieder 🙂

    1. Offensichtlich hat mich der tierische, plappernde Sidekick, den ich auch jetzt etwa in Disney-Filmen nicht mag, schon damals genervt. *g*
      Ja, vielleicht lohnt es sich, wenn du es nochmal damit probierst. Diese ganzen Beschreibungen sind natürlich sicher auch viel Geschmacksache, aber ich habe den Roman nicht als langweilig empfunden.

    2. Ist halt so ein Klassiker 🙂 ich habe die Serie aber auch schon lange nicht mehr gesehen. Nicht mal meine Cousine und mein Cousin schauen sich das noch an, ist also nur noch sehr peripher in meinen Erinnerungen drin… ich bin Disneysidekicks ziemlich gewohnt… bin damit aufgewachsen.

      Na dann 🙂

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