Gegenwartsliteratur Rezensionen

Norbert Gstrein – Als ich jung war

erschienen bei Hanser

Franz wächst in Tirol als Sohn eines Restaurantbesitzers auf, der vornehmlich Hochzeiten ausrichtet, und verdingt sich seit seiner Jugend als Hochzeitsfotograf. Alles ändert sich, als eine Braut ums Leben kommt. War es Mord oder Selbstmord? Vor diesen Fragen und der zerrütteten eigenen Familie flieht Franz nach Amerika, wo er als Skilehrer arbeitet. Dann wird er auch hier in einen rätselhaften Tod verwickelt und es stellt sich die Frage, ob Franz in beiden Fällen mehr wusste, als er zugeben will.

 

Norbert Gstrein hat für diesen Roman 2019 den Österreichischen Buchpreis bekommen und ich kann gut nachvollziehen weshalb. „Als ich jung war“ ist ein unglaublich fesselndes Buch mit Elementen eines Kriminalromans, das aber dennoch kein Krimi ist.

Es sind vor allem drei Ereignisse, die viele Fragen aufwerfen: ein Übergriff auf ein minderjähriges Mädchen (oder war es doch nur ein harmloser Kuss zwischen jungen Menschen?), der rätselhafte Tod der Braut in ihrer Hochzeitsnacht und schließlich der Selbstmord eines Professors, dem Franz in Amerika Skiunterricht gegeben hat. Und im Leben des Professors wiederum gibt es auch eine Reihe von ungeklärten Fragen.

Das faszinierende daran ist Franz als unzuverlässiger Ich-Erzähler. Nach und nach wird klar, dass er manches verschweigt, manchmal die Tatsachen zurechtbiegt, aber was ist nun wirklich die Wahrheit? Das bleibt bis zum Ende ein Rätsel – und zwar nicht nur für die Leser, sondern mitunter auch für Franz selbst. Der Roman springt zwischen diesen Ereignissen und zwischen den Zeitebenen hin und her. Dadurch muss man sich beim Lesen gut konzentrieren, damit einem nichts entgeht, aber der Roman liest sich dennoch flüssig. Dafür sorgt auch der beinahe lyrische, trotzdem aber klare Schreibstil von Norbert Gstrein.

„Als ich jung war“ ist in mancher Hinsicht ein recht düsterer Roman. Die Figuren misstrauen einander und sind fast alle in ihrer Einsamkeit und ihren Halbwahrheiten gefangen. Für eine Auflockerung sorgt aber der feine Humor von Norbert Gstrein, denn manche Situationen und Figuren wirken skurril und teilweise auch komisch.

Fazit: Ein ungemein fesselndes Buch und ein interessanter Genremix. Wer einen traditionellen Krimi mit klarer Auflösung erwartet, wird davon enttäuscht werden, aber allen anderen kann ich das Buch sehr empfehlen. Für mich war es bisher eines meiner Lesehighlights dieses Jahres.

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